Geschichtliche Hintergründe zur 1. Szene – 1430

Die Simmerner Frühgeschichte beginnt in keltischer, römischer und fränkischer Zeit. Neben entsprechenden Bodenfunden gibt es erst seit dem Mittelalter gefälschte und verlässliche Schriftquellen. Die Geburtsstunde der Stadt Simmern  schlug am 13. Juli 1330. Kaiser Ludwig der Bayer verlieh  in Weißenburg im Elsass der Siedlung und Burg des Raugrafen Georg II. die Stadtrechte.  Diese Stadtrechtsverleihung schuf die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine später erfolgreiche Entwicklung der Burg und „veste“ Simmern.

1359 kam die Stadt an die Pfalzgrafen bei Rhein aus dem Hause Wittelsbach.
Am 3. Oktober 1410 verstarb Pfalzgraf und König Ruprecht III., der am 21. August 1400  vom Kurfürstenkolleg in Rhens zum König gewählt worden war. Nach der sogenannten Rupertinischen Erbteilung entstand 1410 die Wittelsbacher Nebenlinie Simmern-Zweibrücken. Pfalzgraf Stephan, der dritte von insgesamt 5 Söhnen Ruprechts III., erhielt im Alter von 25 einen umfangreichen Gebietskomplex, aus dem sich später die Herzogtümer Pfalz-Zweibrücken und Simmern auf dem Hunsrück entwickelten.

Schon im Juni 1410 hatte Stefan die einzige Tochter des Grafen Friedrich III. von Veldenz geheiratet. Gräfin  Anna, um 1390 geboren, war zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit somit um die 20 Jahre alt.  Sie starb 49-jährig in Wachenheim.  Ihr Grab befindet sich in der Veldenzer Erbgruft in der Schlosskirche zu Meisenheim.

Im Verlauf seiner Regentschaft versuchte das Herzogspaar, durch Gebietsan- und -verkäufe den Eigenbesitz zu vergrößern und zu stabilisieren. 1431 gelang es Pfalzgraf Stefan I., sein Münzrecht durch König Sigismund bestätigen zu lassen. Aus der Münzprägung in Simmern gingen zahlreiche  Gold- und Silbermünzen hervor.

Nach 43 Jahren seiner Regentschaft übergab er 1452 seinen Söhnen die Regierungsgeschäf-te.  Er lebte fortan in Meisenheim am Glan. Am 14. Februar 1459 verstarb er während eines Besuchs bei seinem Sohn Friedrich I.  in Simmern. Sein Grab befindet sich in der ehemaligen Deutschordenskirche in Meisenheim.

Wir begegnen dem Herzogspaar im Jahr 1430. Stefan und Anna besuchen die Bauhütte des Steinmetzmeisters Kerre, der mit seinen Gesellen dabei ist, die Stadtmauer fertig zu stellen. Nur der Turm an der südöstlichen Ecke muss noch errichtet werden.

Weitere Informationen zur Geschichte der Stadt und Region Simmern finden Sie unter:
http://www.simmern.de/de/stadtgeschichte_geschichtederstadt_q_a-2221.html

Geschichtliche Hintergründe zur 2. Szene – 1689

1688 begann ein Krieg, der als der Pfälzische Erbfolgekrieg in die Geschichte Europas eingehen sollte. Pfälzisch deshalb, weil er sich im Wesentlichen auf das Gebiet der Pfalz beschränkte und weil es um das Erbe der pfälzischen Kurwürde ging.
Kurfürst Karl I. von der Pfalz verheiratete seine Tochter Elisabeth-Charlotte, genannt Liselotte von der Pfalz, mit Herzog Philipp von Orléans. Er war der Bruder das französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV.  Der Bruder Liselottes, Kurfürst Karl II.  aus der Linie Pfalz-Simmern verstarb 1685 kinderlos. Daraufhin beanspruchte Ludwig XIV. als Schwager des kinderlosen Kurfürsten entgegen der getroffenen Absprachen und auch gegen den Willen Liselottes die Kurpfalz als Erbe für die Krone Frankreichs.

1688 sah Ludwig Chancen, seinen vermeintlichen Erbanspruch kriegerisch durchzusetzen, weil der Habsburger Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, im Krieg mit den Türken beschäftigt war.  Ludwigs Truppen drangen in die Kurpfalz und in das Rheinland ein. Noch im gleichen Jahr zerstörte das französische Militär zahlreiche pfälzische und badische Städte und Dörfer. Auch  Mainz wurde besetzt. Das Reich erklärte Frankreich im April 1689 den Krieg. Am 8. September 1689 konnten die Reichtruppen Mainz zurückerobern.

Die Franzosen verwüsteten nun weite Teile der von ihnen besetzten Gebiete. Erst 1693 gelang es den Reichstruppen, die Franzosen vom Reichsgebiet zurückzudrängen. Der offizielle Friedensschluss erfolgte 1697 im Frieden von Rijswijk. Frankreich musste  auf seine Ansprüche auf die Pfalz verzichten und die besetzten niederländischen und rechtsrheinischen Gebiete sowie Lothringen zurückgeben, durfte das Elsass aber behalten.

Wir begegnen dem Krieg im Kapitelsaal der Karmeliter-Kommende in Simmern. 1686 hatten die katholischen Karmeliterpatres aus Boppard das Recht erhalten, die wenigen Katholiken in der ansonsten protestantischen Stadt Simmern zu betreuen. Sie kamen in einem von einem Kaufmann zur Verfügung gestellten Haus unterhalb der Stephanskirche unter. Die Messen hielten sie zunächst in einer Scheune.  

In der Nacht zum 30. September 1688 besetzten französische Truppen bei offenen Stadttoren widerstandslos die alte Residenzstadt. Ende Dezember erlaubten die Franzosen den Katholiken die simultane Nutzung der Stephanskirche. Anfang Mai 1889 begannen die Franzosen damit, die Stadtmauer abzureißen. Schließlich wurde die hohe Wacht gesprengt, ein Großteil der Oberstadt wurde dadurch mit zerstört. Am 17. September brannten die Franzosen das Wenige, was von der Stadt noch stand, bis auf die Grundmauern nieder. Dann gaben sie die Stadt wieder frei. Doch die Menschen waren längst geflohen.

Geschichtliche Hintergründe zur 3. Szene

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entwickelte sich im alten Europa, insbesondere in Frankreich, ein  immer deutlich werdender Zwiespalt, zwischen den adeligen Herrschaftsschichten und einer in Armut lebenden Bevölkerung, zu der Bürger, Handwerker und Landleute gleichermaßen zählten. Zugleich entstanden damals moderne Staatstheorien, in denen Machtfragen und gesellschaftliche Ordnungen diskutiert und nicht zuletzt die bestehende Gesellschaftsordnung in Frage gestellt wurden. Auch auf wirtschaftlicher Ebene,  den Überseehandel, den Kampf um neue Siedlungsgebiete z. B. in Amerika und um Vormachtstellungen in Europa,  führte zu Spannungen.
Sorgten die Unabhängigkeitskämpfe in Amerika, in denen Engländer, Franzosen, Preußen und Ureinwohner an den großen Seen und am Mississippi kämpften sowie die Ambitionen Preußens  gegenüber der Habsburger Monarchie und dem russischen Zarenreich bereits für genug Unruhe im Machtgefüge Europas, so flog mit dem Ausbruch der französischen Revolution  1789 bildlich gesprochen der Deckel vom Topf. Die Revolution in Frankreich führte zu einer Koalition der alten Monarchien, die glaubten, diese Entwicklungen in Schach halten zu können. Die von Goethe beobachtete Kanonade von Valmy im Jahr 1792 mit dem Sieg der Revolutionstruppen gegen die Monarchisten steht symbolisch für das Scheitern dieses Plans.

Der Vormarsch der Franzosen war nun nicht mehr aufzuhalten,  auch weil Preußen 1795 die Koalition verließ. Im Zuge der Eroberung der Pfalz wurden Landau, Speyer und schließlich Mainz besetzt. Der Hunsrück wurde vor allem im Winter 1795/96 Kampf- und Ernährungsgebiet einer Soltadeska aus Revolutionsarmee und monarchischen Verbündeten, die sich aus dem Land ernährte. Rund 100.000 Soldaten waren in dieser Zeit im Hunsrück und Umgebung einquartiert. Sie alle lebten in teilweise erbärmlichen Umständen, suchten und plünderten sich zusammen, was zum Überleben gebraucht wurde.

In diese Zeit des Chaos und der Ordnungs- und Gottlosigkeit hinein wird der 1779 Johannes Bückler, später Schinderhannes genannt, geboren. Viele Menschen leben am Rande der Existenz, umherziehende Besenbinder, Zunderkrämer und Hausierer. Sein Vater, Johannes Bückler, Scharfrichterassistent und Wasenknecht, heiratet 1783 in Miehlen im Taunus die Wäscherin Anna Maria Schmidt. Bedingt durch die Tätigkeit des Vaters, steht die Familie in der Tradition unehrenhafter Handwerksberufe, lebt unstet und am Rande der „normalen“ Bauerngesellschaft. Bald müssen die Eltern wegen kleinerer Diebstähle untertauchen. Der Vater verpflichtet sich für sechs Jahre beim Kaiserlichen Heer, desertiert 1789 von dort und kehrt in seinen Geburtsort Merzweiler im Hunsrück zurück. Irgendwann in dieser Zeit wird Johannes Bückler geboren, wo und wann weiß man bis heute nicht genau. Man nimmt an, dass es im Herbst 1779 gewesen ist, der Geburtsort ist nicht mehr festzustellen.

Ein moralisch wenig gefestigtes Elternhaus, ein Kind, das mehr oder weniger sich selbst überlassen ist, eine Zeit, die zu vielen Spitzbuben zu Glück verhilft, eine Obrigkeit und eine Kirche, die zu mehr mit sich selbst als ihren eigentlichen Aufgaben beschäftigt sind, tun ein übriges. Ein kriminelle Karriere nimmt ihren Lauf.

Wir begegnen einem Schinderhannes, der so gar nichts vom Hannes des Mythos gemein hat. Gezeichnet wird das Leben eines jungen Burschen, der erstmals für längere Zeit in einem Kerker sitzt und dessen Mut die feuchte Dunkelhaft längst zerschlissen hat.

Geschichtliche Hintergründe zur 4. Szene

Napoleon hat sein Glück zu sehr strapaziert. Sein Russland-Feldzug endet im Chaos. Seine Soldaten sterben in Eis und Schnee, der traurige Rest seiner Truppen zieht sich zurück. Im Oktober 1813 besiegen ihn seine Feinde in der Völkerschlacht bei Leipzig.

Preußen, Russland, Österreich und Schweden verfolgen ihn und seine Grande Armee. Sie flieht über den Rhein und hofft, der Strom halte die Verfolger auf Distanz.  Der preußische Marschall Blücher, seit der Völkerschlacht auch Marschall Vorwärts genannt, schmiedet einen kühnen Plan. Er will Napoleon keine Zeit gönnen, sich zu erholen und in Frankreich frische Truppen zu sammeln.

Er lässt russische Schiffszimmermänner auf den Höhen des Taunus Bäume fällen. An Silvester 1813 und in der folgenden Neujahrsnacht bauen die Männer daraus eine Pontonbrücke über den Rhein. Zweihundertzwanzig Brandenburger Fusiliere und Ostpreußische Jäger überqueren als erste in eisiger Kälte und bei völliger Dunkelheit den Rhein und sichern das linksrheinische Ufer. Bis zum Neujahrsmorgen sind ihnen achttausend Soldaten gefolgt.
Blüchers mutiger Rheinübergang glückt.

Soweit kennt die Geschichte jedes Kind. Aber was geschah danach?

Blücher beauftragt einen seiner Obersten, den Grafen Wilhelm Ludwig Viktor Henckel von Donnersmarck. Den Franzosen auf den Hunsrück zu folgen und zu erkunden, wie weit sich der Feind zurückgezogen hat. In einer sehr weiten Auslegung seines Auftrages führt Graf Henckel von Donnersmarck den Befehl aus und erobert dabei die Stadt Simmern gleich mit.
Geniestreich oder unverschämtes Glück? Hierüber gehen die Meinungen zwischen dem Grafen und den Historikern weit auseinander.

Wir begegnen dem Grafen und einem Teil seiner Männer am Morgen nach der Einnahme von Simmern. Der Graf diktiert gerade eine Depesche an Marschall Blücher. Seine Soldaten ruhen sich derweil aus, lassen den vorigen Abend und die Einnahme der Stadt Revue passieren. Aber die  Wahrnehmungen gehen weit auseinander.

Geschichtliche Hintergründe zur 5. Szene

Geschichtliche Hintergründe gibt es zu dieser Szene nicht. Allenfalls Hintergründiges.
Der Schinderhannes, der ist natürlich geschichtlich.
In der letzten Szene trifft unser Hannes, Jahrgang 1779, auf den Autoren der Schinderhannesfestspiele im Jahr 2015. Geschichtlich?
Sicher nicht. Allenfalls eine Fiktion. Ein Spiel.

Worüber unterhalten sich die beiden wohl?

Nun Anfangs ist es recht schwierig, einen gemeinsamen Level zu finden. Aber dann, dann geraten Beide in Debatte um Macht und Moral, die heute so aktuell ist wie damals.
Zur Zeit des Schinderhannes.
Mahatma Gandhi hat die sieben Todsünden der modernen Gesellschaft festgehalten: Reichtum ohne Arbeit, Genuss ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Geschäft ohne Moral, Wissenschaft ohne Menschlichkeit, Religion ohne Opfer und Politik ohne Prinzipien. Genau dies beschäftigt auch den Hannes und seinen Autor.