SEINE FREUNDE

Die Räuberzunft der damaligen Zeit rekrutierte sich aus der Schicht der Heimatlosen, der Wohnsitzlosen und des fahrenden Volkes. Schätzungen gehen davon aus, dass um 1800 in deutschen Landen cirka 10 und 15 Prozent der Bevölkerung ohne festen Wohnsitz lebte.

 „Ohne festen Wohnsitz“, da landete man schnell im Abseits.

Einmal im Leben den falschen Weg erwischt, zum Beispiel im Krieg versehrt, als Soldat desertiert, als Bauer verschuldet, als Krüppel geboren, als Waise hinterlassen und man war draußen auf der Straße. Das traf insbesondere auch die Minderheiten wie Sinti und Roma und diejenigen, die von der Gesellschaft als unrein angesehen wurden, weil sie einen zwar nützlichen und von allen benötigten Beruf ausübten, mit denen dennoch niemand zu tun haben wollte: die Korbflechter, die Scherenschleifer, die Abdecker, die Artisten und Musikanten. Ihnen blieb nur das Umherziehen, um ihre Familien zu ernähren. Hätten sie sich niedergelassen, wären Mieten, Abgaben, Dienste zu leisten gewesen.


Die Zunft der Wasenmeister.

Der Schinderhannes gehörte zur Zunft der Wasenmeister, der Abdecker. Deren Aufgabe ist es, tote Tiere zu beseitigen. Eine Tätigkeit, die zur Ausgrenzung der Menschen aus der normalen Gesellschaft führte und aus der es auch kein Ausbrechen gab. Geboren als Abdecker, immer Abdecker!

Die Wasenmeister waren meist sesshaft, sie waren von den Gemeinden ihres Wasengebietes angestellt. Schnell ergab es sich dabei den Wasenmeistern auch andere unangenehme Aufgaben zu übertragen, etwa das Erschlagen umherstreunender Hunde und vielerorts das Amt des Scharfrichters. Eine Verordnung der Markgräflich Badischen Regierung aus dem Jahr 1742/1743 zeigt das Ausmaß der gesellschaftlichen Ausgrenzung.

In § 1 heißt es: „Schinders- und Henkersknechte sollen in den Wirtsstuben an einem separaten Tisch besonders gesetzt und aus besonderen für sie allein zu haltenden Geschirren bewirtet werden.“


Das fahrende Volk sammelt sich.

So sammelte sich das nichtseßhafte Volk in den Wäldern und wartete darauf, dass einer daherkam, wie sie, nur etwas schlauer, um sie zu führen. Und schon war die nächste Bande geboren und machte das Land unsicher. Wie unsicher, darüber gibt ein 1797 in Rhaunen verfertigtes Schriftstück Auskunft: "Das herrenlose Gesindel hat sich in der ganzen Gegend seit einiger Zeit dergestalt gehäuft, daß am Tage niemand ohne Begleitung, bei Nacht aber kein Mensch sich getraut, über Felder zu gehen aus Furcht, mißhandelt oder beraubt zu werden. Die Pferde werden täglich aus den Ställen gestohlen und der Landmann muß sich wegen der Wiedererhaltung seines Eigentums mit den Dieben abfinden.“


Die Bande des Schinderhannes.

Die Bande des Räuberhauptmanns Schinderhannes war ein loser Zusammenschluss von Vagabunden, Landstreichern, kleinen Gaunern und einigen schweren Jungs. Im Kern bestand Bande aus einem halben Dutzend miteinander verschworener Männer, die eines gemeinsames hatten: Den Willen, in schlechter Zeit möglichst gut zu leben.

Um diesen Kern herum strichen ein bis zwei Dutzend weiterer Helfer und Gelegenheitsdiebe, die dem Schinderhannes als Hehler, Kundschafter und Versteckgeber dienten. Sie wurden im Bedarfsfalle herbeigerufen und gingen ansonsten einer mehr oder weniger geregelten Arbeit nach.

Der enge Kern der Schinderhannes-Bande.

Juliane Blasius. Mit ihr verband den Schinderhannes eine wahre Liebe. Er sah sie zu Ostern 1800 zum ersten Mal, verliebte sich in sie und behielt sie bis zu seinem Tod an einer Seite. Sie gebar ihm einen Sohn. Er schützte sie in den vielen Verhören, so gut er konnte. Er erreichte schließlich, dass sein Julchen eine vergleichsweise geringe Strafe erhielt. Ihr zuliebe war er bereit gewesen, die Wahrheit zu sagen und damit viele seiner Kameraden zu belasten. Juliana Blasius ihrerseits war bereit, ihrer Liebe wegen den Schinderhannes auf manchem Raubzug zu begleiten.

Johann Leiendecker. Der Schinderhannes wäre nicht der Schinderhannes geworden, hätte es nicht den Johann Leiendecker aus Lauschied bei Meisenheim gegeben.
Leiendecker war gelernter Schuhmacher, sein Handwerk hielt ihn aber nicht davon ab, einer der schlimmsten Verbrecher der Bande zu werden. Er war schlau und konnte, wie der Hannes, lesen, schreiben und rechnen. Sein Handicap, eine Körperbehinderung am rechten Fuss, die ihn humpeln ließ, hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet: an einer Vielzahl von Überfällen und Raubtaten konnte er nicht teilnehmen

Man kann in ihm aber den Ideengeber und geistigen Kopf der Bande sehen. Johann Leiendecker wurde zu Lebzeiten des Schinderhannes nie gefaßt, obwohl er der Erfinder der Sicherheitskarten war, die Schinderhannes ab dem Jahre 1800 ausgab. Er hatte auch den Namen „Johannes durch den Wald“ erfunden, mit dem der Schinderhannes seine Erpresserbriefe unterzeichnete.

Leiendecker entwickelte sich mit der Zeit zum heimlichen Berater des Räuberhauptmanns und bestimmte dessen Handeln und Denken. Neben dem Schinderhannes ist er der einzige, von dem heute noch schriftliche Zeugnisse vorliegen. Der damalige Sicherheitsbeamte des Bezirks von Simmern, Johann Nikolaus Becker, beschreibt den Leiendecker wie folgt: "Er zeichnet sich durch seine Grobheit gegen Jedermann aus, und ist in seinen Verhören ohne Recht oder Beyspiel.  (Er)... ist einer der unbändigsten unter grausamsten Räuber. Nachdem Schinderhannes Bande zerschlagen war, setzte er sich vermutlich nach Holland ab, wo er mehr oder minder dem Tagewerk eines ehrlichen Schusters nachging."

Peter Hassinger war ehemals Müller und Pächter des Ibenerhofes. Er stammte aus dem pfälzischen Albisheim, wo er um 1772 geboren wurde. Am 21. Juni 1802 wurde er an seinem Wohnort in Simmern verhaftet. Hassinger gilt neben dem Leiendecker als das brutalste Mitglied der Bande. Ein Hehler formulierte dies im Rahmen einer Vernehmung 1802 in Mainz so: Der „Haß des Peter Hassinger (hat) sich in allen Gemüther der Bande des Schinderhannes verbreitet“. In den Verhören nach seiner Verhaftung war er voll geständig, wohl weil er glaubte, so seinen Hals retten zu können. Die kriminellen Neigungen hätten ihre Grundlage darin, dass seine Familie infolge Krieges mittellos geworden sei. In dieser Situation habe der Schinderhannes ihn dazu verleitet, Verbrechen zu begehen. All seine Rechtfertigungsversuche nutzten ihm nichts, er wurde mit einem Räuberhauptmann enthauptet.

Georg Friedrich Schulz nannten alle nur den "schlechten Freier". Er stammte aus Rohrbach bei Heidelberg, war zunächst Soldat, dann nach seiner Flucht aus dem Militärdienst fahrender Zunderkrämer und Korbmacher. Dann irgendwann glitt er ins kriminelle Milieu ab.
Zufällig trifft er den Schinderhannes, hilft ihm bei einigen kleineren Diebstählen. Als die Zeit der großen Coups gekommen ist, ist er dabei. Am 28. Mai 1802 begeht er die Unachtsamkeit seines Lebens und wird in Eckelsheim von wachsamen Bauern verhaftet. Dummerweise hatte er gerade zwei Pferde gestohlen, die er mit sich führte. Das brachte die Bauern darauf, genauer hin zu sehen und in ihm einen der gesuchten Komplizen des Schinderhannes zu erkennen. Drei Tage später wird er nach Mainz gekarrt und dem Spezialgericht überantwortet. Bis zuletzt leugnet Schulz jede Beteiligung an irgendwelchen Delikten der Schinderhannes-Bande. Die Indizien gegen ihn waren aber so schwerwiegend, dass das Gericht ihn Tode verurteilte und Strafe auch vollstreckt wurde.

Philipp Klein war Sohn eines nach Nassauischen Husars, weshalb er allgemein nur "Husaren-Philipp" gerufen wurde. 10 Jahre älter als der Schinderhannes hatte er sich als Tagelöhner und Feldschütz  in Dickesbach über Wasser gehalten. Als es nicht mehr reichte, wurde er straffällig und verbrachte ein Jahr in Haft. Kaum entlassen schloss er sich der Schinderhannesbande an und nahm an vielen Überfällen teil. Der Schinderhannes nannte in den Verhören seinen Namen, weshalb am 18. Dezember 1802 ein Haftbefehl erlassen wurde. Klein wurde verhaftet und nach Mainz gebracht. Er leugnete zunächst, verstrickte sich dann aber in Widersprüche, was letztendlich auch zum Todesurteil gegen ihn führte.

Franz Bayer war Zunderkrämer aus Worms. Der "Scheele Franz", wie ihn alle riefen kam früh mit dem Gesetz in Konflikt. Er war schon als Räuber und Ganove unterwegs, als der Schinderhannes noch ein Kind war. Vielerlei Strafen besserten ihn nicht. Nachdem er aus der Haft in Speyer geflohen war, schloss er sich der Schinderhannes-Bande an. Nach der Beteiligung an vielen Straftaten wurde er im November 1801 in Lindenfels festgesetzt. Die dortige Polizei übergab ihn am 13. August 1802 den Franzosen. In den Verhören zeigte er sich voll geständig, was ihm jedoch nicht nutzte. Auch für ihn galt das Todesurteil.

Christian Rheinhard kannten alle nur unter seinem Spitznamen "Schwarzer Jonas". Geboren als Sohn eines preußischen Soldaten um 1775 in Berlin verschlug es die Familie nach dem Tod des Vaters in die Wetterau. Der Schwarze Jonas verdingte sich als Musikant und Bänkelspieler. Nachdem er den Schinderhannes kennen gelernt hatte, wurde Rheinhard der treueste Gefährte  des Räuberhauptmanns. Er begleitete den Hannes bei fast allen Raubzügen. Er befand sich auch in Begleitung der fahrenden Händlers Jakob Ofenloch (Schinderhannes), der im Juni 1802 in Limburg verhaftet und nach Mainz gebracht wurde. Rheinhard zeigte sich vor dem Gericht in Mainz voll geständig, wurde aber ebenfalls zum Tod durch die Guillotine verurteilt.

Johannes Müller (Vater) wurde um 1748 in Kinderbeuern in der Eifel geboren. Besser bekannt ist er unter dem Namen "Müllerhannes" oder "Butla". Er sorgte zunächst als Tagelöhner und Kleinhändler für den Lebensunterhalt von sich, seiner Frau und neuen Kindern. Mehrfach saß er wegen kleinerer Delikte ein. Mit seinen beiden Söhnen Johannes und Johann Nikolaus kam er zur Schinderhannesbande und nahm an vielen Überfällen teil. Nach seiner Verhaftung wurde er am 16. April 1802 nach Mainz gebracht. Der Butla  bestritt jegliche Verbrechen, die er begangen haben sollte. Erst als die Beweislage gegen ihn erdrückend wurde, sah er ein, dass weiteres Leugnen zwecklos sei. Er gestand seine »vagabonde und unstätige Lebensart« und legte ein umfassendes Geständnis ab. Butla erhielt dafür wie seinen Sohn Johann Nikolaus die Todesstrafe. Ein Sohn Johannes war ihm infolge einer Erkrankung während der Haft schon im Tod vorangegangen.