SEINE LIEBE

Juliane Blasius, nie gehört, werden Sie jetzt vielleicht denken. Nun, unter dem Namen Julchen wird sie Ihnen eher bekannt sein.


Schinderhannes und Julchen.

Drei Jahre lang lebte das Mädchen aus Weierbach, einem Dorf bei Idar-Oberstein, mit Johann Wilhelm Bückler, den alle „Schinderhannes“ nennen, zusammen. Ihre Zweisamkeit endete am 21. November 1803 tragisch. Der Schinderhannes wurde  mit 19 seiner Mittäter in Mainz auf die Guilottine geschickt.

Aber der Reihe nach:
Am 22. August 1781 kam Juliana Blasius, Tochter des Musikanten Johann Nikolaus Blasius in Weierbach bei Idar-Oberstein zur Welt. Schon früh lernte das Mädchen das Singen und Geige zu spielen. Zusammen mit ihrer Schwester Margarethe sang sie zur Musik des Vaters auf Märkten und bei Kirchweihfesten.

Das hätte auch ihr Leben lang so weitergehen können hätte sie nicht zu Ostern 1800 auf dem Wickenhof bei Kirn zum Tanze aufgespielt. Der Schinderhannes war auch da. Und so kam es wie es kommen musste. Er verguckte sich in das hübsche Ding, und weil sie ihm in den Tagen danach nicht mehr aus dem Sinn ging beauftragte er einen Freund damit, dem Mädchen und seiner Schwester auszurichten,  zum Dollberg, einem Wäldchen bei Weierbach zu kommen. Dort sei jemand , der mit ihnen reden wolle. Das war‘s: Eine große Liebe nahm ihren Anfang.


Julchen beschließt spontan beim Schinderhannes zu bleiben.

Das Mädchen Juliane beschloss spontan, dem Schinderhannes zu folgen. Das Julchen war geboren. Das klingt bis hierher alles ganz normal, aber der Schinderhannes war nicht unbedingt das, was Eltern sich für ihre Tochter wünschen.

Er war des Kind eines Wasenmeisters, gehandicapt und ausgegrenzt.
Aber gut aussehend, mittelgroß, schlank,  mit braunem Haar. Er kleidete sich nach der neuesten Mode. Der Hannes galt als flotter Tänzer, charmant und eitel, kurz gesagt: ein Weiberheld.  Zeitgenossen schildern ihn als redegewandt und souverän.  

In Liebesdingen war er kein unbeschriebenes Blatt. Die Chronisten haben recherchiert, gerechnet und sind schließlich zu dem Schluss gekommen, dass das Julchen dem Hannes seine Nr. 8 gewesen ist. Alle Achtung für einen Räuber! Einige seiner Freundinnen sind sogar noch mit Namen bekannt: Die Elise Werner aus Hahnenbach, die Anna-Maria Schäfer, genannt Buzliese-Amie, aus Schneppenbach, die Katharina Pfeiffer aus Langenhain im Taunus und Margarethe Blasius aus Weierbach bei Kirn. Ja, auch mit der Schwester vom Julchen hatte der Hannes was. Die blieb übrigens in der Nähe der Frisch-Verliebten. Sie nahm sich den Peter Dalheimer, einen Spießgesellen aus der Schinderhannesbande, zum Gefährten.


In schlechter Gesellschaft.

So begann das gemeinsame Leben von Hannes und Julchen. Ein Räuberleben. Ständig in der Gefahr, verraten und gefasst zu werden,  lebte das Paar zusammen mit der Bande auf der halb verfallenen Schmidtburg im Hahnenbachtal oberhalb von Kirn. Die Burg stand seit der Annektion 1795 durch die Franzosen leer, die Besitzer waren geflohen. Hier fühlte sich die Bande so sicher, dass sie im Nachbardorf Griebelschied ihren berühmten "Räuberball" feierte. Öffentlich! Jeder konnte kommen, na ja, fast jeder. Die Legende sagt, sogar die örtlichen Polizeikräfte hätten mitgefeiert.

Die schlechte Gesellschaft, in die das Julchen geraten war, zeigte bald Früchte. Julchen beteiligte sich an Überfällen der Bückler-Bande. Dabei soll sie - so richtig ist das aber nie geklärt worden - Männerkleidung getragen haben. So beraubte man gemeinsam den jüdischen Händler  Wolff Wiener aus Hottenbach.

Clara Viebig (1860-1952), die populäre Trierer Schriftstellerin, hat das Julchen 1922 in ihrem Bestsellerroman "Unter dem Freiheitsbaum" so beschrieben: attraktiv, mutig, temperamentvoll und skrupellos.


Zu spätes Elternglück.

Ja und wo die Liebe hinfällt, das gibt es auch bald Kinder. Jedenfalls war das damals noch so. Wann genau ist heute nicht mehr feststellbar, nur dass es passierte, das steht fest: Julchen gebar im Jahr 1801 in Bruchsal im Kraichgau eine Tochter. Aber die Beiden hatten Pech, das kleine Mädchen verstarb bald.  Sie sollten aber dennoch Elternglück erfahren: im Mainzer Holzturm schenkte Juliane Blasius am 1. Oktober 1802 während ihrer gemeinsamen Gefangenschaft einem Sohn das Leben. Er wurde auf den Namen Franz Wilhelm getauft . Das Kind wurde, als seine Mutter in Haft ging,  später von dem Mainzer Steuereinnehmer Johannes Weiß adoptiert. Damit verliert sich seine Spur. Zum Glück für den Bub.


"Ich habe sie verführt, sie ist unschuldig."

Im Verlauf des Prozesses gegen den Räuberhauptmann stellte das "Julchen" ihre Beziehung zum Schinderhannes so dar, als sei sie als 15-Jährige mit Gewalt entführt worden: „Als ich in den Wald kam, traf ich einen schönen jungen Menschen da an, der mir den Vorschlag machte, meine Eltern zu verlassen und ihm zu folgen. Da ich seinen Vorschlag, der vielen schönen Versprechungen ohngeachtet, die er mir unaufhörlich machte, nicht annehmen wollte, drohte er mir, mich umzubringen, und auf diese Art wurde ich mit Gewalt dazu gebracht, diesem Unbekannten zu folgen. Erst lange nachher, und als ich schon zu weit von meinen Eltern entfernt war, erfuhr ich, daß der Mann, der mich so entführte, der sogenannte Schinderhannes sei; (...) ich hoffe, daß diese Sorglosigkeit, mich wegen dem Mann, mit welchem ich lebte, genauer zu erkundigen, und die meinem Alter und Geschlecht so eigene Leichtgläubigkeit verziehen wird“.

Das war eine Notlüge, denn sie hätte alle Möglichkeiten gehabt zu flüchten. Dies erkannte das Gericht und verurteilte Juliane Blasius zu zwei Jahren Gefängnis. Das war einigermaßen milde, wenn man bedenkt, dass immerhin zwanzig Räuber aufs Schafott mussten. Man kann davon ausgehen, dass die Aussagebereitschaft des Schinderhannes und sein während den Verhören und dem Prozeß gezeigte Bereitschaft zur Aufklärung seiner „Frau“eine härtere Strafe erspart hat.

Nachdem das Urteil gegen ihren Hannes auf der Guilottine vollstreckt war, wurde das Julchen in das "Korrektionshaus" im belgischen Gent verbracht, wo sie  ihre Haftstrafe zu verbüßen hatte. Aus der Haft entlassen kehrte sie sofort nach Mainz zurück und arbeitete als Dienstmädchen beim Pflegevater ihres Sohnes. Bald kehrte sie in ihren Heimatort Weierbach zurück und heiratete einen Gendarmen namens Uebel, der aber während der Befreiungskriege verstarb. Im Alter von nunmehr 32 Jahren heiratete sie am 2. Juli 1814 ihren inzwischen auch verwitweten Vetter, den Ortspolizeidiener Johann Blasius. Die beiden hatten dann noch sieben Kinder.


Infos gegen Schnaps.

Ich war die „Frau des Schinderhannes“. Dies brachte ihr in den Jahren eine gewisse Popularität und auch so manchen von Durchreisenden spendierten Schnaps ein. 1844 glaubten die Behörden gegen diesen frühen  „Schinderhannestourismus“ einschreiten zu müssen. Das Julchen erhielt Besuch von einem Staatsanwalt aus Saarbrücken. Immerhin, der hohe Besuch fand sie "reinlich gekleidet" und ,"noch gut konserviert" vor. Gegen die zu offene Vermarktung ihrer Geschichte konnten die Behörden etwas tun, aber ihre Träume konnten sie dem Julchen nicht verbieten: Sie bekannte, dass die Zeit mit ihrem „ersten Manne“ die Schönste ihres Lebens war.

Am 3. Juli 1851 starb Juliana Blasius im Alter von fast 70 Jahren in an Wassersucht. Sie überlebte den "Schinderhannes" um 47 Jahre.