MYTHOS SCHINDERHANNES

"Solche Gestalten, die sich allmählich aus der historischen Wirklichkeit lösen, legendär und unsterblich werden, verkörpern immer die Sehnsucht, die Liebe, die heimlichen Wunschträume und das innerste Wesen eines Volkes... Der Schinderhannes, auf den die Frauen fliegen und der mit seinem Elan, seiner Jugend, seiner wilden Grazie und seiner stählernen Energie die Bande wüster Krakeeler und Marodeure beherrscht und zwingt, so ein Kerl möchte jeder gern sein, und selbst wer bei Tag bis über beide Ohren in Ehrbarkeit steckt, nachts regt sich auch in ihm zuweilen der Drang zum verteufelten Burschen."

Diese Erklärung für die außerordentliche Beliebtheit des bekanntesten Räubers Deutschlands stammt von Carl Zuckmayer. 1928 hat er das gesagt. Ein Jahr zuvor war sein Drama "Schinderhannes" mit großem Erfolg im Berliner Lessing Theater uraufgeführt worden.

Ja, wo immer  Armut, Hunger, Unfreiheit und Unterdrückung auftauchen, da gibt es sie: Die Gutmenschen in schlechten Zeiten, die Helden in der Not.

Sie kämpfen gegen ihre Unterdrücker, gegen Angehörige des Geblüts- oder des Geld-Adels oder gegen fremde Armeen. Sie geben dem einfachen Volk das Gefühl, dass noch nicht alles verloren ist. Hoffnung heißt ihr Zauberwort.  Es gibt sie in realer und erfundener Form, aber ob sie wirklich existierten oder erdacht worden sind, ihren soziologischen Zweck haben sie stets zur Zufriedenheit erfüllt.

 

Und bei manchen von ihnen begann der Mythos schon zu Lebzeiten. So auch beim Schinderhannes:

"Ich habe so viele seltsame Dinge von diesem Schinderhannes gehört,  daß ich mir ein großes Genie, einen wahren Wundermann unter demselben dachte".

schrieb der deutsche Abenteurer Johann Conrad Friederich (1789-1858) in seinen Memoiren über das Erlebnis, als 14jähriger bei der Hinrichtung des Schinderhannes dabei gewesen zu sein.

Was ist das Faszinierende an diesem Johannes Bückler? Was hat dazu geführt, dass ihm schon zu Lebzeiten eine solch ehrfürchtige Berühmtheit zu Teil wurde. Lesen Sie auf den folgenden Seiten, wie ein armer geächteter Abdeckerssohn in ganz kurzer Zeut zu einem berühmten Räuberhauptmann werden konnte.