BEUTE & DELIKTE

Immer wieder taucht eine Frage auf:
Wie viel hat der Schinderhannes denn eigentlich so zusammengestohlen?
Die Antwort lautet: Es kommt drauf an.

Der Schinderhannes hatte natürlich keinen Banden-Buchhalter, der Kassenbücher geführt hätte. Wie gewonnen, so zerronnen, lautete das Motto der Vagabunden. Wenn das Geld alle war, wurde neues besorgt. So bleiben uns nur die Historiker, die errechnet haben, dass der Hannes und seine Bande zwischen den Jahren 1777 und 1802 rund 22.000 Gulden und Sachwerte in Höhe von 3.000. bis 6.000 Gulden erbeutet haben sollen.

Schön, aber wie viel ist das? Was war das wert?
 
Nur wenige Historiker wagen sich daran, Vergleichswerte anzugeben, weil sie wissen, dass jeder Vergleich hinkt. Der Mainzer Historiker Dr. Peter Bayerlein, ein profunder Schinderhannes-Experte, wagt folgende Gegenüberstellung:

 „Für die rund 2.000 bis 2.500 Gulden Beute bei einem Überfall auf einen jüdischen Händler in Laufersweiler hätte man damals mehr als 40 Pferde oder zwei große, zweistöckige Wohnhäuer am Mittelrhein oder sechs Häuser auf dem Land kaufen können. Ein Amtsbote in Mainz musste rund 100 Jahre lang arbeiten, um die Räuberbeute einer einzigen Nacht zu verdienen, ein Schullehrer in Stuttgart 25 Jahre lang unterrichten. Noch ein Vergleich: Als Karl Theodor von Dalberg (1744-1817), der letzte Erzbischof und Kurfürst von Mainz, ab 1806 Fürstprimas, Bischof von Regensburg und Großherzog von Frankfurt und somit gewiss kein armer Mann, starb, hinterließ er rund 4400 Gulden Bargeld. Das war weniger, als der Schinderhannes und Komplizen in einer einzigen Nacht beim Überfall auf einen jüdischen Händler in Hottenbach nördlich von Idar-Oberstein erbeuteten: nämlich mehr als 4.500 Gulden!“

Sicher, ein greifbarer und anschaulicher Vergleich, nur, was war ein Pferd, etwa für einen Bauern, wirklich wert? Für ihn stellte es die Grundlage seines Broterwerbs und damit seiner Existenz dar. Sein Verlust durch Diebstahl oder Tod konnte ganze Familien ins Unglück stürzen.

So stellt sich die Frage, wie der Wert der Beute ein Stück weit objektiviert werden kann. Vielleicht über den Goldwert?
Fangen wir damit an, welches Geld der Schinderhannes eigentlich gestohlen hat. Mit was bezahlte man in damaliger Zeit?

Nun der Schinderhannes gibt im Verlauf seiner Verhöre an, im Wesentlichen französische Louisd'ors, niederländische Gulden und rheinische Thaler erbeutet zu haben. Der Louisd'or war zwar eigentlich schon durch den Franc abgelöst worden, wurde aber nach wie vor als goldgedeckte Währung verwendet. Doch die nachrevolutionären Wirren in Frankreich, die sich rasch auf ganz Europa ausweiteten, sorgten dafür, dass es eine Leitwährung nicht gab.

Denn neben den Louisd'ors, den Gulden und den Thalern hat der Schinderhannes nach eigenem Bekunden auch Dukaten, doppelte Dukate, Sechsbätzner, Kreuzer, Große Thaler, Franken-Thaler, fünf und sechs Livres Thaler erbeutet.

Was waren die einzelnen Goldstücke nun wert?

Der Louisdor oder wie der Volksmund sagte, der Louis, war unter Ludwig dem XIII. als Goldmünze eingeführt worden. Seine Nachfolger prägten in ihrer Amtszeit Münzen mit ihrem Konterfei. Das französische Münzgesetz vom 30. Oktober 1785 legte den Wert des Louisdors wie folgt fest: das Gewicht des Stücks musste 7,6485 g betragen bei einer  Feinheit von 916 2/3 Tausendteile. Das ergibt ein Feingewicht für Gold von 7,0111 g.

Geht man, rein hypothetisch, von diesem Goldgehalt aus und nimmt die geschätzten Angaben zur Höhe der Beute mit 22.000 Stück, so ergibt sich folgende Rechnung: 22.000 Stücke Gold mal 7 g Feingoldgewicht ergeben 154.000 g Gold oder 154 kg Gold. Ein Kg Gold wird zur Zeit mit über 30.000 Euro gehandelt. Das ergibt eine Gesamtbeute von annähernd 5 Millionen Euro. Und das in drei Jahren! Alle Achtung!

Aber Vorsicht, auch dieser Vergleich ist schief. Der tatsächliche Wert des geraubten Diebes- und Erpressungsgutes liegt um ein Vielfaches höher. Eine Annäherung an diesen wirklichen Wert ließe sich nur über die nähere Untersuchung der Löhne der damaligen Zeit erreichen.


Wie kam der Schinderhannes an diese Beute?

Zu den Straftaten des Schinderhannes gibt es natürlich auch die passende Statistik. Dazu ist zu sagen, dass von der Schinderhannes-Bande im eigentlichen Sinne erst in der Zeit zwischen dem Ausbruch aus dem Simmerner Stadtturm 1799 und der Gefangennahme 1802 gesprochen werden kann.

Insgesamt konnten der Bande 211 Straftaten nachgewiesen werden, viele davon aufgrund der Aussage des Schinderhannes selbst. Er bewies bei der Schilderung eines Großteils der 96 Diebstähle, 71 Raubtaten und 35 Erpressungen ein hervorragendes Gedächtnis. Dem Schinderhannes selbst wurden 53 Straftaten zur Last gelegt. Übrigens, nur neunzehn davon beging er im Hunsrück, aber achtundzwanzig südlich der Nahe.