SAGEN & LEGENDEN

Der Volksmund macht die Mythen. Jedenfalls die, die aus einem unbedeutenden kleinen Räuber eine Lichtgestalt an Gerechtigkeit und Gemeinsinn machen.

Der Schinderhannes bastelt schon zu seinen Lebzeiten an seinem Image. Das beginnt mit seiner Kleidung. Stets im Stil der Zeit zeigt er in seinem Auftreten auch gute Umgangsformen. In einem Bericht der National Zeitung vom März 1802 wird Johannes Bückler wie folgt beschrieben:

"Er hat einen schlanken Wuchs, gewandten Körper, kurze blonde Haare, die er bald im Zopfe trägt, bald auf dem Rücken hangen läßt, ein schönes rundes Gesicht, ist etwas pockennarbig, 5 Schuh und 6 Zoll groß. Er ist jetzt sehr gut und geschmackvoll gekleidet, und gibt sich bald für einen Kaufmann, bald für einen kurzen Waren- und Erdengeschirr-Händler aus, und führet sehr oft einen Esel bei sich, der auf beiden Seiten bepackt ist. Auf dem linken Rheinufer erschien er sonst meistenteils in Jägers-Uniform, mit einer kurzen doppelten Büchse und einem Jagdsacke versehen; seine doppelte Büchse hat ihn schon manchmal aus der Gefahr gerettet."

Und er achtet sehr darauf, gerecht zu erscheinen und gute Umgangsformen zu zeigen. Er ist erfreut, dass sein Verhalten die Leute dazu bringt, Geschichten über seinen guten Charakter zu erzählen.

Hier sind einige der unglaublichen Geschichten:

 

Schinderhannes und der Viehhändler.

Einmal hat der Schinderhannes einen Jahrmarkt besucht, als er auf seinem Weg eine alte Bauersfrau trifft.  Die erzählt ihm, dass sie vorhabe, eine neue Kuh zu kaufen. Da bricht das Weib in Tränen aus und berichtet, ihr Vieh sei verendet. Jetzt müsse sie sehen, möglichst billig eine neue Kuh zu kaufen, weil sie nur 10 Kronentaler habe. Den Schinderhannes rührt das Schicksal der Frau. Er gibt ihr weitere 10 Kronentaler, damit sie sich die beste Kuh auf dem ganzen Markte aussuchen kann. Als sie sich verabschiedet, stellt er nur eine Bedingung: sie solle sich von dem Viehhändler eine Quittung ausstellen lassen und ihm diese bringen. Das geschieht auch. Abends nun lauert  der Hannes dem Viehhändler auf, zeigt ihm die Quittung und bittet sich höflichst gegen Rückgabe derselben 20 Kronentaler aus. Der Viehhändler weigert sich nicht im Geringsten. Er löst die Quittung ein und ist froh, mit heiler Haut davon zu kommen.

Dass der Räuberhauptmann keine Gefahr für die kleinen Leute darstellte, sollte die folgende Geschichte beweisen:

 

Der Schinderhannes in der Bauernstube

Einmal kommt der Schinderhannes bei einem Streifzug zu einem ärmlichen Bauernhaus. Er geht hinein und trifft auf ein altes Weib, das mit ihrem Mann in der Stube sitzt. Das Weib bietet, wie es der Brauch war, dem Hannes etwas zu trinken an.
Man kommt ins Gespräch auf die unsicheren Zeiten. Der Hannes will von den beiden Alten wissen, ob sie sich nicht vor den Räubern fürchten?„Oh, nein", lächelt der Alte da,„der Schinderhannes tut den Armen doch nichts. Aber eine Sicherheitskarte möchte ich doch von Ihm haben, weil ich seinen Leuten nicht recht traue." Da nimmt der Bückler nimmt aus seiner Tasche eine Flasche Wein und schenkt sie dem Bauern.
Plötzlich dringt Lärm von draußen herein.„Mein Gott", ruft der Bauer, der ans Fenster gelaufen ist,„da kommen Bewaffnete, wir  sind verloren!" Schinderhannes glaubt,  das seien Gendarmen und versteckt sich in der benachbarten Kammer. Da wird auch schon die Haustür aufgerissen und vier bis an die Zähne bewaffnete Räuber dringen ein. Sie packen den Bauern und sein Weib, werfen beide zu Boden und fordern lautstark Geld. Zitternd nestelt der Bauer den Rest seines kleinen Vermögens von 13 Groschen aus seinem Geldbeutel.
Aber das genügt den Räubern nicht:„Was, du kannst Wein trinken, dann hast du auch Geld Eben schickt sich der Anführer an, die armen  Bauersleut noch schlimmer zu mißhandeln, da erscheint Schinderhannes in der Kammertür, reißt seine Pistole aus dem Gürtel und zerschmettert den Schädel des Rädelsführers. Die anderen drei ergreifen die Flucht und werden in dieser Gegend nie mehr gesehen. Der Bauer und sein Weib wissen nun aber, wer ihnen das Leben gerettet hat.


Wie banal die Geschichten um den großen Schinderhannes sein können, um dennoch ihre Wirkung zu erzielen, zeigt diese Stammtischanekdote:

 

Der Schinderhannes narrt die Gendarmen

Hört, hat euch das schon einer erzählt: Ich weiß nicht mehr genau wo das war, ich habe gehört in Staudernheim oder in Mengerschied. Vielleicht wars aber auch da unten im Odenwald. Da sitzen jedenfalls vier durstige Gesellen zusammen in der Schenke und zechen. Sie sind guter Dinge und singen schmutzige Lieder. Plötzlich dringt Pferdegetrappel von draußen herein. Zwei Gendarmen stürzen auf den Hof und schreien: "Wirt, Herr Wirt! Gebt uns schnell einen Schnaps. Wir haben es eilig. Der Schinderhannes soll sich irgendwo hier aufhalten. Den suchen wir. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit
Die vier Zecher hören das. Einer ruft hinaus: "He, Kameraden, kommt herein. Ihr seid eingeladen. Ruht euch ein wenig aus Das lassen sich die Gendarmen nicht zweimal sagen. „Ihr seid wackere Beamte,“ sagt der eine, „es soll uns nicht auf Flasche Wein ankommen Allzu gerne lassen die Gendarmen sich nieder: Bald sitzt man gemütlich beim Wein und schmaucht ein Pfeifchen. Als die Aufmerksamkeit der Gendarmen vom Wein genügend geschwächt ist, verläßt der eine der vier Burschen die Schänke. Bald ertönt vom Fenster her ein zügelloses Gelächter. Die Gendarmen blicken hinaus und erkennen ihren Saufkumpanen, der sich vor Lachen kaum halten kann.
"Und ihr wollt echte Gendarmen sein", ruft er den Beamten zu, "und sauft zusammen mit dem Schinderhannes? Kommt, fangt ihn, wenn ihr schnellere Beine habt Der Bursche verschwindet vom Fenster. Die Gendarmen springen auf, um den Flüchtigen einzuholen. Sie rennen in den Stall, schwingen sich auf die Sättel ihrer Pferde und ...... fallen auf der anderen Seite unsanft  von ihren Pferden. Mit dem Gelächter des davoneilenden Räuberhauptmanns kommen sie darauf, dass der Schinderhannes ihnen die Sattelgurte durchgeschnitten hat. Die zwei Gendarmen schwören sich, nichts davon zu erzählen und wäre der Wirt nicht gewesen, hätte das auch niemand erfahren.

 

Und wo ein Held bereitsteht, Gutes zu tun, da schießen dann schnell Legenden ins Kraut, die's an Edelmütigkeit und Heroismus kaum noch zu überbieten sind. Was war er doch für ein guter Mensch, unser Hannes:


 
Der Schinderhannes und die Gräfin
Da war doch die Erika, ihres Zeichens oder besser ihren Geblütes Gräfin von Manderscheid, auf der Flucht (vor wem eigentlich?) zur Burg Waldeck, (die längst zerstört als Ruine über dem Baybachtal trohnte).  Und weil es Nacht wurde übernachtete sie vor dem einsamen Aufstieg in der Schmause-Mühle bei Burgen. Die vornehme Kutsche der Gräfin erregte die Aufmerksamkeit des Schwarzen Peters, der die edle Frau daraufhin überfiel. Er wurde jedoch vom Schinderhannes (Oh Gott, wo kam der denn so schnell her?) an seiner Tat gehindert, der ihn kurzerhand verjagte. Ja. Genau so war das gewesen.

 

Wo eine gute Gräfin ist, muss es doch auch einen bösen Baron geben.

Der Schinderhannes und der Baron
Von einem alten Bedienten hörte der Bückler über die Mißwirtschaft des Barons K…. klagen. Der Baron sei der reine Wüterich; er traktiere seine Dienerschaft mit Schlägen, verprasse das Geld seiner Frau mit zwei Maitressen und das arme Weib müsste ihnen auch bei den wüsten Gelagen noch aufwarten; sie sei viel schlimmer dran als eine Dienerin. Schinderhannes ließ das Schloß heimlich durch seine Leute umstellen, er selbst ging in das Zimmer des Barons und stellte sich als Verwandter seiner Frau vor. „Dieses Lumpenvolk kenne ich nicht, sofort aus meinen Augen, sonst hetze ich Euch die Hunde auf den Hals!“ rief der Baron, der in Gesellschaft seiner Maitressen und zweier Freunde tafelte.
Schweigend ging Schinderhannes hinaus – ein Pfiff und die Räuber standen vor ihm. Sie drangen in das Zimmer des Barons, der erschreckt seinen Kammerdienern klingelte. Letztere wurden einfach zur Tür hinausgeworfen; Schinderhannes trat vor den Baron und schrie: „Niederträchtiger Tyrann, auf die Knie mit Dir, ich bin der Schinderhannes!“ Zitternd fielen alle auf die Erde, der Baron wurde von der Räubern mit gedrehten Stricken halbtot gehauen, die beiden Stutzer ganz kahl geschoren und jämmerlich maltraitiert. Hierauf plünderten die Räuber Kisten und Kasten, gaben der Baronin ihren Brautschatz zurück und brachten sie zu ihrem Vater, der erst jetzt hörte, wie sein Schwiegersohn seine Tochter behandelt hatte. Vater und Tochter dankten Schinderhannes für seine Hilfe, letzterer wehrte aber ab, denn heimlich dachte er, „den schönsten Lohn haben die Kameraden in ihren Säcken fortgetragen!“

 

Der Schinderhannes und die Tänzerin
Leyendecker ward eines Tages nach Kirn gesandt, um Munition zu kaufen. Dort hatte er ausgekundschaftet, daß die berühmte Tänzerin Cäcilie Vestris, die von dem Präfekten für das Mainzer Theater engagiert war, auf ihrer Reise von Paris nach Mainz in Kirn abgestiegen sei, und am nächsten Tage um 2 Uhr ihre Tour fortzusetzen gedenke. Die Bande Bücklers brach zur bestimmten Stunde auf,  und fasste die Reisenden unweit Kirn ab. Schinderhannes setzte sich zu der Tänzerin und ihrer Kammerfrau in den Wagen, ein Räuber kutschierte, und fort ging es direkt nach Kallenfels. Der Kutscher wurde zu Fuß ebenfalls dorthingeführt. In Kallenfels fanden die vor Schreck fast gelähmten Damen ein reichliches Essen mit spanischen Weinen vor. Julie hatte Mänerkleider angelegt und serveirte. Schinderhannes erklärte der Tänzerin, sie möge ihm den „Scherz“ nicht über nehmen, er wolle nur dem Präfekten in Mainz, der sein erbitterter Feind sei, beweisen, dass der Räuberhauptmann Schinderhannes auf dem Hunsrück allein zu befehlen habe und es freue ihn, dass er noch vor seinem „Rivalen“ das Vergügen gehabt habe, die berühmte Tänzerin zu empfangen. Cäcilie Vestris, als sie sah, dass ihr nichts zu Leide geschah, fand sich bald in ihr Schicksal und wurde von der allgemeinen Heiterkeit, die dieses mal ausnahmsweise durchaus anständig war, mit fortgerissen, so dass sie auf die Bitte des Räubers eine Probe ihrer Tanzkunst ablegte. Reinhardt und Julchen bildeten das Orchster. Andern Tags ließ Schinderhannes die Damen wieder ziehen, nachdem er Cäcilien eine goldene Kette aufgenötigt hatte, die, wie er sagte, „ehrlich erworben“ sei.

 

Der Schinderhannes und die Braut
Die Räuber lagern im Kreis und sprechen tapfer der Flasche zu. Plötzlich hört man in der Nähe ein Geschrei, das von drei Personen herrührt, die von einigen Räubern mit Gewehrkolben vorwärts getrieben werden. Als die Gruppe, bestehend aus einem älteren Mann, einem Buschen und einem Mädchen vor Schinderhannes erscheint, herrscht er die Leute an: „Was gibt’s? Redet und macht nicht solchen Lärm!“ Der Bursche erwidert seufzend: „Mit dem Mädchen, der Christel, bin ich schon zwei Jahre heimlich versprochen und der Vater hier, bei dem ich in Dienst stehe, und der von dem Verhältnis weiß, hat nie etwas degegen einzuwenden gehabt. Gestern nun frage ich ihn, ob wir jetzt heiraten dürfen, da lacht er mich aus und sagt, ich solle mich zum Teufel scheren.Wir haben nun beschlossen, heimlich davonzugehen, wir wollten das auch heute Morgen ausführen, der Alte aber setzt uns nach und will jetzt die Christel wieder mit nach Hause nehmen. Als wir noch stritten werden wir von Euren Leuten überfallen und hierhergebracht.“ Während diesen Worten weint das Mädchen immer leise vor sich hin. „Was hast Du darauf zu erwidern, warum willst Du die Beiden nicht heiraten lassen?“ examiniert der Räuberhauptmann den alten Bauern. „Weil ich keinen Bettler als Schwiegersohn gebrauchen kann!“ entgegnet trotzig der Bauer, „ich habe mir schon einen Anderen ausgesucht!“ „Kameraden, nehmt den alten Sünder auf’s Korn,“ ruft Bückler und im Nu sieht der Bauer ein Dutzend Flintenläufe auf sich gerichtet. „Gnade, Gnade“, ächzt er, „ich will ja alles tun, was Ihr verlangt!“ „Versprichst Du mir sofort, diesen jungen Leuten Deinen Segen zu Ihrer Verbindung zu geben, so will ich Dich laufen lassen; aber das sage ich Dir, brichst Du Dein Wort, so soll Dich’s gereuen, so wahr ich Schinderhannes heiße!“ Laut schreien das Mädchen und der Alte bei Nennung dieses furchtbaren Namens auf, im Auge des Burschen aber blitzt ein Hoffnungsstrahl. Zittend gelobt der Vater, alles zuzugeben, doch Schinderhannes ruft: „Etwas muss für mich auch abfallen.“ Dabei fasst er das Mädchen um die Taille und drückte ihr einen herzhaften Kuss auf die Lippen. „So Leute, jetzt übergebe ich Euch die beiden Männer, dass ihr auch Eure Freude habt.“ Schwiegervater und Schwiegersohn werden nun von den Räubern ausgeplündert und ihnen sogar Rock, Weste und Stiefel abgenommen. Trotz alledem machen die drei recht vergnügte Gesichter – die beiden Jungen, dass sie so leicht ihr Ziel erreicht haben, der Alte, dass er so billig davongekommen ist.

 

Der Schinderhannes und die Patrouille
Im Begriff, nach einer längeren Rast aufzubrechen, um sich in einen Schlupfwinkel zurückzuziehen gewahrt der Schinderhannes mit zwölf anderen Räubern eine 25 Mann starke Kavalkade österreichischer Husaren, die unten im Tal langsam eine breite Chaussee daher traben. „Ein famoser Braten,“ murmelt Zughetto, „für diese Tiere hätte ich gerade Verwendung.“ „Nichts leichter als das,“ ruft Schinderhannes, „wir nehmen ihnen die Pferde einfach weg.“ Die Räuber lachen und Glaubten, er wolle einen Scherz machen. Schinderhannes aber befiehlt ihnen, sich in einem nahen, von Gebüsch umwachsenenen Graben zu verbergen und gibt ihnen die nötigen Instruktionen. Er selbst setzt sich an den Weg, pfeift ein Liedchen und lässt die Husaren näher kommen. Als der Offizier den schmucken Jäger erblickt mag ihn eine Ahnung des kommenden Unheils beschlichen haben, denn er lockert zwei Pistolen undsieht nach seinen Soldaten zurüch, ob alles in Ordnung ist. Bückler aber geht mit heiterer Miene auf ihn zu, zieht sehr höflich seinen Hut und spricht ihn an: „Verzeihen Sie, Herr Wachtmeister, ich bin ein ehemaliger kurpfälzischer Jäger, und möchte die Frage an Sie richten, ob es gestattet sei, Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen?“ Aus dem Antlitz des Offizeirs schwindet jedes Misstrauen und er anwortet: „Nun, so sprich, aber schnell, wir müssen noch einen großen Weg machen!“ Geheimnisvoll beginnt der Schinderhannes: „Nicht weit von hier, im Wald, lagernzwölf Franzosen, die eine große Kasse, offenbar gestohlenes Geld, mit sich führen; die Kerle zechen schon Stunden lang, und ich glaube, es ist ein Leishtes, sie zu überrumpeln. Gold gibt’s genuh und ich werde Sie hinführen, wenn Sie mir versprechen, dass auch für mich was abfällt.“ Halb ungläubig schüttelt der Offizier den Kopf: „Und wenn Du mich nun zum Besten gehaten hast, was soll ich mit Dir anfangen?“ „Binden Sie mir die Hände auf den Rücken und schießen Sie miche, wenn ich gelogen habe, über den Haufen!“ Der Räuberhauptmann sagt das so keck, dass bei dem Offizier jedes Bedenken schwindet. Er ässt die Leute absitzen, die Pferde zusammenkoppeln und geht mit 12 Mann dem Führer nach; die übrigen zwölf Soldaten bleiben zur Bewachung der Pferde zurück. Kaum hat der Schinderhannes mit dem Offizier und seinen Begleitern den Wald erreicht, als in entgegengestzter Richtung ein furchtbares Geheul erschallt.. Die Soldaten haben sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt, als schon die bei den Pferden zurück gebliebenen Husaren von den hervorstürzenden Räubern zu Boden geschlagen werden. Man sieht nur noch, wie sich die die Räuber auf die Pferde schwingen und davonsprengen. Schunderhannes gesellt sich ganz entrüstetund schreit: „Verrat, Verrat, das ist der Schinderahhes mit seiner Bande.“ Damit setzte er über das Gebüsch, schwingt sich auf das noch übrig gebliebene Pferd des Wachtmeisters und will davongaloppieren. Ein Soldat, von den zu Boden geschlagegenen, der wohl die ganze Sachlage durchschaut hatte, erhebt sich indess mühsam, und will dem kecken Räuber sein Schwert übertziehen. Im selben Moment aber fährt ihm eine Geige über den Schädel, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Benzel war es, der erst kurz der Bande angehörte, und starr vor Staunen über die Kühnheit seines Hauptmanns zurückgeblieben ist. Schinderhannes fühlt noch, wie ein Körper hinter ihm auf’s Pferd fällt und hört, wie Benzel ihm zuruft: „Vorwäts, Hauprmann, es die höchste Zeit!“ Er gibt dem Roß die Sporen und schreit aus Leibeskräften: „Hussah, Husaren, fangt den Schinderhannes.“ Wohl pfeifen den Flüchtigen die österreichischen Kugeln um die Ohren, doch was macht sich ein Bandit daraus, namentlich, wenn sie nicht treffen!

 

Der Schinderhannes und der Aufschneider
Einst brachten einige Räuber einen Menschen zu Schinderhannes, der sich als Mitglied der Bande aufnehmen lassen wollte. Um den Beweiszu liefern, dass er als Räuber zu gebrauchen isei, gab er an, er habe schon verschiedene Meuchelmorde auf dem Gewissen, auch habe er einer Witwe mit fünf Kindern ihr Vermögen abgeschworen. Schinderhannes rief: „So etwas tut ein richtiger Räuber nicht, wer falsch schwört, verrät auch uns. Kameraden, hängt den Kerl dort an den Eichbaum!“ Der Befehl wurde sofort ausgeführt.

 

Der Schinderhannes und der Zöllner
Zur Zeit des Räuberhauptmanns Johannes Bückler - genannt Schinderhannes - wurde an den Grenzstationen viel Unfug getrieben. Die Schmuggelei stand in voller Blüte, und die Zollbeamten, die recht oft wechselten, nahmen an Gebühren, was sie gerade bekommen konnten.
Schinderhannes kam mit zwei Mitgliedern seiner Bande als umherziehender Krämer an eine solche Grenzstation. Die Pässe wurden für richtig befunden, und die Waren sollten verzollt werden.
Der Zöllner verlangte eine ungewöhnlich hohe Gebühr. Schinderhannes machte ein schiefes Gesicht dazu, bezahlte aber schließlich, was gefordert wurde. Dann zog er die Brieftasche, schrieb einige Worte auf ein leeres Blatt Papier und klebte es zusammen. Dem Beamten gab er danach den Auftrag, es seinem Vorgesetzten zu überreichen.
Der Zöllner dachte: Wenn es den Dienst betrifft, so ist es ja kein Geheimnis, und wenn es Privatsache ist, so wird’s ja so wichtig nicht sein. Ich lese das Schreiben erst selbst. Zu seinem Erstaunen enthielt der Zettel die folgenden Worte:
"Herr Hauptzöllner, soeben fährt unterzeichneter über den Rhein, Sie haben also nichts mehr von ihm zu befürchten. Als guter Freund aber rat’ ich ihm, seine Leute besser zu beaufsichtigen, damit sie nicht mehr Mautgebühr verlangen, als ihnen zukommt, sonst kommt der und fordert Rechenschaft von Ihnen, der da heißet Schinderhannes."

 

Die Figur des Schinderhannes animiert selbst heute noch Autoren, sich ihre Gedanken um die Sagenhaftigkeit des Mannes zu machen. Das beweist die folgende Geschichte des Hunsrücker Comediants Hotte Schneider:

Sensationeller Fund: Das Schlupfloch des Schinderhannes                           Auf den ersten Blick sieht das Ding ganz harmlos aus: So ungefähr wie eine Halskrempe der Mainzer Hofsänger, nur alles aus grau-braunem Filz. Aber was Gerd Mähringer aus Bergershausen da beim Abbruch seiner alten Scheune gefunden hat, ist eine Sensation, nämlich nichts Geringeres als das Schlupfloch des Schinderhannes aus dem Jahre 1797.
Dieses Loch trug der Johannes Bückler bekanntlich immer bei sich, getarnt als Hut auf dem Kopf. Wenn die Gendarmen ihm mal wieder hart auf den Fersen waren, nahm der Schinderhannes sein Filzloch vom Kopf, schlüpfte hindurch und ward nicht mehr gesehen.
Gerd Mähringer zeigt mir seinen Fund mit großem Stolz aber auch mit äußerster Vorsicht. Zu oft hat es ihn in die abgelegensten Gegenden verschlagen, wenn er leichtsinnig seinen Kopf oder ein Bein durch das Loch gesteckt hatte. Erst letztens war er irgendwo im einsamen Spessart gelandet. Nachts irrte er stundenlang durch den Wald, bis ihn ein Jäger halb erfroren fand..
Ganz dick kam es, als Mähringers Cousin Werner Schmidt aus Rödelhausen, sich kürzlich an dem Schlupfloch zu schaffen machte. Mit seinen 114 Kilo ist er einfach zu dick für die ehemalige Geheimwaffe des Schinderhannes. Er blieb stecken genau zwischen Bergershausen im Hunsrück und Miehlen im Taunus. Um den kostbaren Filz zu retten, mußte man dem unglückseligen Schmidt einen Arm amputieren.
Seitdem hat Mähringer die Schnauze voll von seinem Jahrhundertfund. Ganz zu meiner Freude, denn - ob Sie es glauben oder nicht - er hat mir das Schlupfloch des Schinderhannes kurzerhand geschenkt. Seitdem rennen mir verschiedene Interessenten die Bude ein. Zum Beispiel will das Kriminaltechnische Museum in Koblenz untersuchen, wie der Schinderhannes sein Entschwinden durch das Loch exakt zum Wunschziel steuern konnte. Hat er eine Formel gemurmelt oder hat er Verrenkungen gemacht?
Bis auf Weiteres werde ich das Original-Schlupfloch des Schinderhannes allerdings nirgendwohin verleihen. Ich werde damit üben und den Filzring demnächst auf Hunsrücker Bühnen allen Schinderhannes-Fans zeigen.
Übrigens hat auch das ZDF Wind von der Sache bekommen. In einer beliebten Unterhaltungssendung mit Tomas Gottschalk soll ich das Loch präsentieren. Schalten Sie ein, Sie werden staunen. Sollte ich allerdings überraschender Weise in dieser Show nicht zu sehen sein, dann war ich unvorsichtig. Und mein Schlupfloch hat mich - statt vor die Fernsehkameras - vielleicht ins Hahnenbachtal katapultiert. Wetten, dass ?!

SAGEN & LEGENDEN

Der Volksmund macht die Mythen. Jedenfalls die, die aus einem unbedeutenden kleinen Räuber eine Lichtgestalt an Gerechtigkeit und Gemeinsinn machen.

Der Schinderhannes bastelt schon zu seinen Lebzeiten an seinem Image.

Das beginnt mit seiner Kleidung. Stets im Stil der Zeit zeigt er in seinem Auftreten auch gute Umgangsformen. In einem Bericht der National Zeitung vom März 1802 wird Johannes Bückler wie folgt beschrieben: Er hat einen schlanken Wuchs, gewandten Körper, kurze blonde Haare, die er bald im Zopfe trägt, bald auf dem Rücken hangen läßt, ein schönes rundes Gesicht, ist etwas pockennarbig,

5 Schuh und 6 Zoll groß. Er ist jetzt sehr gut und geschmackvoll gekleidet, und gibt sich bald für

einen Kaufmann, bald für einen kurzen Waren- und Erdengeschirr-Händler aus, und führet sehr oft einen Esel bei sich, der auf beiden Seiten bepackt ist. Auf dem linken Rheinufer erschien er sonst meistenteils in Jägers-Uniform, mit einer kurzen doppelten Büchse und einem Jagdsacke versehen; seine doppelte Büchse hat ihn schon manchmal aus der Gefahr gerettet.

 

Und er achtet sehr darauf, gerecht zu erscheinen und gute Umgangsformen zu zeigen. Er ist erfreut, dass sein Verhalten die Leute dazu bringt, Geschichten über seinen guten Charakter zu erzählen.
Hier sind einige der unglaublichen Geschichten:
Schinderhannes und der Viehhändler.
Einmal hat der Schinderhannes einen Jahrmarkt besucht, als er auf seinem Weg eine alte Bauersfrau trifft.  Die erzählt ihm, dass sie vorhabe, eine neue Kuh zu kaufen. Da bricht das Weib in Tränen aus und berichtet, ihr Vieh sei verendet. Jetzt müsse sie sehen, möglichst billig eine neue Kuh zu kaufen, weil sie nur 10 Kronentaler habe. Den Schinderhannes rührt das Schicksal der Frau. Er gibt ihr weitere 10 Kronentaler, damit sie sich die beste Kuh auf dem ganzen Markte aussuchen kann. Als sie sich verabschiedet, stellt er nur eine Bedingung: sie solle sich von dem Viehhändler eine Quittung ausstellen lassen und ihm diese bringen. Das geschieht auch. Abends nun lauert  der Hannes dem Viehhändler auf, zeigt ihm die Quittung und bittet sich höflichst gegen Rückgabe derselben 20 Kronentaler aus. Der Viehhändler weigert sich nicht im Geringsten. Er löst die Quittung ein und ist froh, mit heiler Haut davon zu kommen.
Dass der Räuberhauptmann keine Gefahr für die kleinen Leute darstellte, sollte die folgende Geschichte beweisen:
Der Schinderhannes in der Bauernstube
Einmal kommt der Schinderhannes bei einem Streifzug zu einem ärmlichen Bauernhaus. Er geht hinein und trifft auf ein altes Weib, das mit ihrem Mann in der Stube sitzt. Das Weib bietet, wie es der Brauch war, dem Hannes etwas zu trinken an.
Man kommt ins Gespräch auf die unsicheren Zeiten. Der Hannes will von den beiden Alten wissen, ob sie sich nicht vor den Räubern fürchten?„Oh, nein", lächelt der Alte da,„der Schinderhannes tut den Armen doch nichts. Aber eine Sicherheitskarte möchte ich doch von Ihm haben, weil ich seinen Leuten nicht recht traue." Da nimmt der Bückler nimmt aus seiner Tasche eine Flasche Wein und schenkt sie dem Bauern.
Plötzlich dringt Lärm von draußen herein.„Mein Gott", ruft der Bauer, der ans Fenster gelaufen ist,„da kommen Bewaffnete, wir  sind verloren!" Schinderhannes glaubt,  das seien Gendarmen und versteckt sich in der benachbarten Kammer. Da wird auch schon die Haustür aufgerissen und vier bis an die Zähne bewaffnete Räuber dringen ein. Sie packen den Bauern und sein Weib, werfen beide zu Boden und fordern lautstark Geld. Zitternd nestelt der Bauer den Rest seines kleinen Vermögens von 13 Groschen aus seinem Geldbeutel.
Aber das genügt den Räubern nicht:„Was, du kannst Wein trinken, dann hast du auch Geld Eben schickt sich der Anführer an, die armen  Bauersleut noch schlimmer zu mißhandeln, da erscheint Schinderhannes in der Kammertür, reißt seine Pistole aus dem Gürtel und zerschmettert den Schädel des Rädelsführers. Die anderen drei ergreifen die Flucht und werden in dieser Gegend nie mehr gesehen. Der Bauer und sein Weib wissen nun aber, wer ihnen das Leben gerettet hat.
Wie banal die Geschichten um den großen Schinderhannes sein können, um dennoch ihre Wirkung zu erzielen, zeigt diese Anekdote:
Der Schinderhannes narrt die Gendarmen
Hört, hat euch das schon einer erzählt: Ich weiß nicht mehr genau wo das war, ich habe gehört in Staudernheim oder in Mengerschied. Vielleicht wars aber auch da unten im Odenwald. Da sitzen jedenfalls vier durstige Gesellen zusammen in der Schenke und zechen. Sie sind guter Dinge und singen schmutzige Lieder. Plötzlich dringt Pferdegetrappel von draußen herein. Zwei Gendarmen stürzen auf den Hof und schreien: "Wirt, Herr Wirt! Gebt uns schnell einen Schnaps. Wir haben es eilig. Der Schinderhannes soll sich irgendwo hier aufhalten. Den suchen wir. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit
Die vier Zecher hören das. Einer ruft hinaus: "He, Kameraden, kommt herein. Ihr seid eingeladen. Ruht euch ein wenig aus Das lassen sich die Gendarmen nicht zweimal sagen. „Ihr seid wackere Beamte,“ sagt der eine, „es soll uns nicht auf Flasche Wein ankommen Allzu gerne lassen die Gendarmen sich nieder: Bald sitzt man gemütlich beim Wein und schmaucht ein Pfeifchen. Als die Aufmerksamkeit der Gendarmen vom Wein genügend geschwächt ist, verläßt der eine der vier Burschen die Schänke. Bald ertönt vom Fenster her ein zügelloses Gelächter. Die Gendarmen blicken hinaus und erkennen ihren Saufkumpanen, der sich vor Lachen kaum halten kann.
"Und ihr wollt echte Gendarmen sein", ruft er den Beamten zu, "und sauft zusammen mit dem Schinderhannes? Kommt, fangt ihn, wenn ihr schnellere Beine habt Der Bursche verschwindet vom Fenster. Die Gendarmen springen auf, um den Flüchtigen einzuholen. Sie rennen in den Stall, schwingen sich auf die Sättel ihrer Pferde und ...... fallen auf der anderen Seite unsanft  von ihren Pferden. Mit dem Gelächter des davoneilenden Räuberhauptmanns kommen sie darauf, dass der Schinderhannes ihnen die Sattelgurte durchgeschnitten hat. Die zwei Gendarmen schwören sich, nichts davon zu erzählen und wäre der Wirt nicht gewesen, hätte das auch niemand erfahren.
Und wo ein Held bereitsteht, Gutes zu tun, da schießen dann schnell Legenden ins Kraut, die's an Edelmütigkeit und Heroismus kaum noch zu überbieten sind. Was war er doch für ein guter Mensch, unser Hannes:
 
Der Schinderhannes und die Gräfin
Da war doch die Erika, ihres Zeichens oder besser ihren Geblütes Gräfin von Manderscheid, auf der Flucht (vor wem eigentlich?) zur Burg Waldeck, (die längst zerstört als Ruine über dem Baybachtal trohnte).  Und weil es Nacht wurde übernachtete sie vor dem einsamen Aufstieg in der Schmause-Mühle bei Burgen. Die vornehme Kutsche der Gräfin erregte die Aufmerksamkeit des Schwarzen Peters, der die edle Frau daraufhin überfiel. Er wurde jedoch vom Schinderhannes (Oh Gott, wo kam der denn so schnell her?) an seiner Tat gehindert, der ihn kurzerhand verjagte. Ja. Genau so war das gewesen.
Wo eine Gräfin ist, muss es doch auch einen Baron geben.

 

Der Schinderhannes und der Baron

Von einem alten Bedienten hörte der Bückler über die Mißwirtschaft des Barons K…. klagen. Der Baron sei der reine Wüterich; er traktiere seine Dienerschaft mit Schlägen, verprasse das Geld seiner Frau mit zwei Maitressen und das arme Weib müsste ihnen auch bei den wüsten Gelagen noch aufwarten; sie sei viel schlimmer dran als eine Dienerin. Schinderhannes ließ das Schloß heimlich durch seine Leute umstellen, er selbst ging in das Zimmer des Barons und stellte sich als Verwandter seiner Frau vor. „Dieses Lumpenvolk kenne ich nicht, sofort aus meinen Augen, sonst hetze ich Euch die Hunde auf den Hals!“ rief der Baron, der in Gesellschaft seiner Maitressen und zweier Freunde tafelte.

Schweigend ging Schinderhannes hinaus – ein Pfiff und die Räuber standen vor ihm. Sie drangen in das Zimmer des Barons, der erschreckt seinen Kammerdienern klingelte. Letztere wurden einfach zur Tür hinausgeworfen; Schinderhannes trat vor den Baron und schrie: „Niederträchtiger Tyrann, auf die Knie mit Dir, ich bin der Schinderhannes!“ Zitternd fielen alle auf die Erde, der Baron wurde von der Räubern mit gedrehten Stricken halbtot gehauen, die beiden Stutzer ganz kahl geschoren und jämmerlich maltraitiert. Hierauf plünderten die Räuber Kisten und Kasten, gaben der Baronin ihren Brautschatz zurück und brachten sie zu ihrem Vater, der erst jetzt hörte, wie sein Schwiegersohn seine Tochter behandelt hatte. Vater und Tochter dankten Schinderhannes für seine Hilfe, letzterer wehrte aber ab, denn heimlich dachte er, „den schönsten Lohn haben die Kameraden in ihren Säcken fortgetragen!“

 

Der Schinderhannes und die Tänzerin

Leyendecker ward eines Tages nach Kirn gesandt, um Munition zu kaufen. Dort hatte er ausgekundschaftet, daß die berühmte Tänzerin Cäcilie Vestris, die von dem Präfekten für das Mainzer Theater engagiert war, auf ihrer Reise von Paris nach Mainz in Kirn abgestiegen sei, und am nächsten Tage um 2 Uhr ihre Tour fortzusetzen gedenke. Die Bande Bücklers brach zur bestimmten Stunde auf,  und fasste die Reisenden unweit Kirn ab. Schinderhannes setzte sich zu der Tänzerin und ihrer Kammerfrau in den Wagen, ein Räuber kutschierte, und fort ging es direkt nach Kallenfels. Der Kutscher wurde zu Fuß ebenfalls dorthingeführt. In Kallenfels fanden die vor Schreck fast gelähmten Damen ein reichliches Essen mit spanischen Weinen vor. Julie hatte Mänerkleider angelegt und serveirte. Schinderhannes erklärte der Tänzerin, sie möge ihm den „Scherz“ nicht über nehmen, er wolle nur dem Präfekten in Mainz, der sein erbitterter Feind sei, beweisen, dass der Räuberhauptmann Schinderhannes auf dem Hunsrück allein zu befehlen habe und es freue ihn, dass er noch vor seinem „Rivalen“ das Vergügen gehabt habe, die berühmte Tänzerin zu empfangen. Cäcilie Vestris, als sie sah, dass ihr nichts zu Leide geschah, fand sich bald in ihr Schicksal und wurde von der allgemeinen Heiterkeit, die dieses mal ausnahmsweise durchaus anständig war, mit fortgerissen, so dass sie auf die Bitte des Räubers eine Probe ihrer Tanzkunst ablegte. Reinhardt und Julchen bildeten das Orchster. Andern Tags ließ Schinderhannes die Damen wieder ziehen, nachdem er Cäcilien eine goldene Kette aufgenötigt hatte, die, wie er sagte, „ehrlich erworben“ sei.

 

Der Schinderhannes und die Braut

Die Räuber lagern im Kreis und sprechen tapfer der Flasche zu. Plötzlich hört man in der Nähe ein Geschrei, das von drei Personen herrührt, die von einigen Räubern mit Gewehrkolben vorwärts getrieben werden. Als die Gruppe, bestehend aus einem älteren Mann, einem Buschen und einem Mädchen vor Schinderhannes erscheint, herrscht er die Leute an: „Was gibt’s? Redet und macht nicht solchen Lärm!“ Der Bursche erwidert seufzend: „Mit dem Mädchen, der Christel, bin ich schon zwei Jahre heimlich versprochen und der Vater hier, bei dem ich in Dienst stehe, und der von dem Verhältnis weiß, hat nie etwas degegen einzuwenden gehabt. Gestern nun frage ich ihn, ob wir jetzt heiraten dürfen, da lacht er mich aus und sagt, ich solle mich zum Teufel scheren.Wir haben nun beschlossen, heimlich davonzugehen, wir wollten das auch heute Morgen ausführen, der Alte aber setzt uns nach und will jetzt die Christel wieder mit nach Hause nehmen. Als wir noch stritten werden wir von Euren Leuten überfallen und hierhergebracht.“ Während diesen Worten weint das Mädchen immer leise vor sich hin. „Was hast Du darauf zu erwidern, warum willst Du die Beiden nicht heiraten lassen?“ examiniert der Räuberhauptmann den alten Bauern. „Weil ich keinen Bettler als Schwiegersohn gebrauchen kann!“ entgegnet trotzig der Bauer, „ich habe mir schon einen Anderen ausgesucht!“ „Kameraden, nehmt den alten Sünder auf’s Korn,“ ruft Bückler und im Nu sieht der Bauer ein Dutzend Flintenläufe auf sich gerichtet. „Gnade, Gnade“, ächzt er, „ich will ja alles tun, was Ihr verlangt!“ „Versprichst Du mir sofort, diesen jungen Leuten Deinen Segen zu Ihrer Verbindung zu geben, so will ich Dich laufen lassen; aber das sage ich Dir, brichst Du Dein Wort, so soll Dich’s gereuen, so wahr ich Schinderhannes heiße!“ Laut schreien das Mädchen und der Alte bei Nennung dieses furchtbaren Namens auf, im Auge des Burschen aber blitzt ein Hoffnungsstrahl. Zittend gelobt der Vater, alles zuzugeben, doch Schinderhannes ruft: „Etwas muss für mich auch abfallen.“ Dabei fasst er das Mädchen um die Taille und drückte ihr einen herzhaften Kuss auf die Lippen. „So Leute, jetzt übergebe ich Euch die beiden Männer, dass ihr auch Eure Freude habt.“ Schwiegervater und Schwiegersohn werden nun von den Räubern ausgeplündert und ihnen sogar Rock, Weste und Stiefel abgenommen. Trotz alledem machen die drei recht vergnügte Gesichter – die beiden Jungen, dass sie so leicht ihr Ziel erreicht haben, der Alte, dass er so billig davongekommen ist.

 

 

 

Der Schinderhannes und die Patrouille

Im Begriff, nach einer längeren Rast aufzubrechen, um sich in einen Schlupfwinkel zurückzuziehen gewahrt der Schinderhannes mit zwölf anderen Räubern eine 25 Mann starke Kavalkade österreichischer Husaren, die unten im Tal langsam eine breite Chaussee daher traben. „Ein famoser Braten,“ murmelt Zughetto, „für diese Tiere hätte ich gerade Verwendung.“ „Nichts leichter als das,“ ruft Schinderhannes, „wir nehmen ihnen die Pferde einfach weg.“ Die Räuber lachen und Glaubten, er wolle einen Scherz machen. Schinderhannes aber befiehlt ihnen, sich in einem nahen, von Gebüsch umwachsenenen Graben zu verbergen und gibt ihnen die nötigen Instruktionen. Er selbst setzt sich an den Weg, pfeift ein Liedchen und lässt die Husaren näher kommen. Als der Offizier den schmucken Jäger erblickt mag ihn eine Ahnung des kommenden Unheils beschlichen haben, denn er lockert zwei Pistolen undsieht nach seinen Soldaten zurüch, ob alles in Ordnung ist. Bückler aber geht mit heiterer Miene auf ihn zu, zieht sehr höflich seinen Hut und spricht ihn an: „Verzeihen Sie, Herr Wachtmeister, ich bin ein ehemaliger kurpfälzischer Jäger, und möchte die Frage an Sie richten, ob es gestattet sei, Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen?“ Aus dem Antlitz des Offizeirs schwindet jedes Misstrauen und er anwortet: „Nun, so sprich, aber schnell, wir müssen noch einen großen Weg machen!“ Geheimnisvoll beginnt der Schinderhannes: „Nicht weit von hier, im Wald, lagernzwölf Franzosen, die eine große Kasse, offenbar gestohlenes Geld, mit sich führen; die Kerle zechen schon Stunden lang, und ich glaube, es ist ein Leishtes, sie zu überrumpeln. Gold gibt’s genuh und ich werde Sie hinführen, wenn Sie mir versprechen, dass auch für mich was abfällt.“ Halb ungläubig schüttelt der Offizier den Kopf: „Und wenn Du mich nun zum Besten gehaten hast, was soll ich mit Dir anfangen?“ „Binden Sie mir die Hände auf den Rücken und schießen Sie miche, wenn ich gelogen habe, über den Haufen!“ Der Räuberhauptmann sagt das so keck, dass bei dem Offizier jedes Bedenken schwindet. Er ässt die Leute absitzen, die Pferde zusammenkoppeln und geht mit 12 Mann dem Führer nach; die übrigen zwölf Soldaten bleiben zur Bewachung der Pferde zurück. Kaum hat der Schinderhannes mit dem Offizier und seinen Begleitern den Wald erreicht, als in entgegengestzter Richtung ein furchtbares Geheul erschallt.. Die Soldaten haben sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt, als schon die bei den Pferden zurück gebliebenen Husaren von den hervorstürzenden Räubern zu Boden geschlagen werden. Man sieht nur noch, wie sich die die Räuber auf die Pferde schwingen und davonsprengen. Schunderhannes gesellt sich ganz entrüstetund schreit: „Verrat, Verrat, das ist der Schinderahhes mit seiner Bande.“ Damit setzte er über das Gebüsch, schwingt sich auf das noch übrig gebliebene Pferd des Wachtmeisters und will davongaloppieren. Ein Soldat, von den zu Boden geschlagegenen, der wohl die ganze Sachlage durchschaut hatte, erhebt sich indess mühsam, und will dem kecken Räuber sein Schwert übertziehen. Im selben Moment aber fährt ihm eine Geige über den Schädel, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Benzel war es, der erst kurz der Bande angehörte, und starr vor Staunen über die Kühnheit seines Hauptmanns zurückgeblieben ist. Schinderhannes fühlt noch, wie ein Körper hinter ihm auf’s Pferd fällt und hört, wie Benzel ihm zuruft: „Vorwäts, Hauprmann, es die höchste Zeit!“ Er gibt dem Roß die Sporen und schreit aus Leibeskräften: „Hussah, Husaren, fangt den Schinderhannes.“ Wohl pfeifen den Flüchtigen die österreichischen Kugeln um die Ohren, doch was macht sich ein Bandit daraus, namentlich, wenn sie nicht treffen!

 

Der Schinderhannes und der Aufschneider

Einst brachten einige Räuber einen Menschen zu Schinderhannes, der sich als Mitglied der Bande aufnehmen lassen wollte. Um den Beweiszu liefern, dass er als Räuber zu gebrauchen isei, gab er an, er habe schon verschiedene Meuchelmorde auf dem Gewissen, auch habe er einer Witwe mit fünf Kindern ihr Vermögen abgeschworen. Schinderhannes rief: „So etwas tut ein richtiger Räuber nicht, wer falsch schwört, verrät auch uns. Kameraden, hängt den Kerl dort an den Eichbaum!“ Der Befehl wurde sofort ausgeführt.

 

Der Schinderhannes und der Zöllner

Zur Zeit des Räuberhauptmanns Johannes Bückler - genannt Schinderhannes - wurde an den Grenzstationen viel Unfug getrieben. Die Schmuggelei stand in voller Blüte, und die Zollbeamten, die recht oft wechselten, nahmen an Gebühren, was sie gerade bekommen konnten.

Schinderhannes kam mit zwei Mitgliedern seiner Bande als umherziehender Krämer an eine solche Grenzstation. Die Pässe wurden für richtig befunden, und die Waren sollten verzollt werden.

Der Zöllner verlangte eine ungewöhnlich hohe Gebühr. Schinderhannes machte ein schiefes Gesicht dazu, bezahlte aber schließlich, was gefordert wurde. Dann zog er die Brieftasche, schrieb einige Worte auf ein leeres Blatt Papier und klebte es zusammen. Dem Beamten gab er danach den Auftrag, es seinem Vorgesetzten zu überreichen.

Der Zöllner dachte: Wenn es den Dienst betrifft, so ist es ja kein Geheimnis, und wenn es Privatsache ist, so wird’s ja so wichtig nicht sein. Ich lese das Schreiben erst selbst. Zu seinem Erstaunen enthielt der Zettel die folgenden Worte:

"Herr Hauptzöllner, soeben fährt unterzeichneter über den Rhein, Sie haben also nichts mehr von ihm zu befürchten. Als guter Freund aber rat’ ich ihm, seine Leute besser zu beaufsichtigen, damit sie nicht mehr Mautgebühr verlangen, als ihnen zukommt, sonst kommt der und fordert Rechenschaft von Ihnen, der da heißet Schinderhannes."

 

 


Die Figur des Schinderhannes animiert selbst heute noch Autoren, sich ihre Gedanken um die Sagenhaftigkeit des Mannes zu machen. Das beweist die folgende Geschichte des Hunsrücker Comediants Hotte Schneider:
Sensationeller Fund: Das Schlupfloch des Schinderhannes
Auf den ersten Blick sieht das Ding ganz harmlos aus: So ungefähr wie eine Halskrempe der Mainzer Hofsänger, nur alles aus grau-braunem Filz. Aber was Gerd Mähringer aus Bergershausen da beim Abbruch seiner alten Scheune gefunden hat, ist eine Sensation, nämlich nichts Geringeres als das Schlupfloch des Schinderhannes aus dem Jahre 1797.
Dieses Loch trug der Johannes Bückler bekanntlich immer bei sich, getarnt als Hut auf dem Kopf. Wenn die Gendarmen ihm mal wieder hart auf den Fersen waren, nahm der Schinderhannes sein Filzloch vom Kopf, schlüpfte hindurch und ward nicht mehr gesehen.
Gerd Mähringer zeigt mir seinen Fund mit großem Stolz aber auch mit äußerster Vorsicht. Zu oft hat es ihn in die abgelegensten Gegenden verschlagen, wenn er leichtsinnig seinen Kopf oder ein Bein durch das Loch gesteckt hatte. Erst letztens war er irgendwo im einsamen Spessart gelandet. Nachts irrte er stundenlang durch den Wald, bis ihn ein Jäger halb erfroren fand..
Ganz dick kam es, als Mähringers Cousin Werner Schmidt aus Rödelhausen, sich kürzlich an dem Schlupfloch zu schaffen machte. Mit seinen 114 Kilo ist er einfach zu dick für die ehemalige Geheimwaffe des Schinderhannes. Er blieb stecken genau zwischen Bergershausen im Hunsrück und Miehlen im Taunus. Um den kostbaren Filz zu retten, mußte man dem unglückseligen Schmidt einen Arm amputieren.
Seitdem hat Mähringer die Schnauze voll von seinem Jahrhundertfund. Ganz zu meiner Freude, denn - ob Sie es glauben oder nicht - er hat mir das Schlupfloch des Schinderhannes kurzerhand geschenkt. Seitdem rennen mir verschiedene Interessenten die Bude ein. Zum Beispiel will das Kriminaltechnische Museum in Koblenz untersuchen, wie der Schinderhannes sein Entschwinden durch das Loch exakt zum Wunschziel steuern konnte. Hat er eine Formel gemurmelt oder hat er Verrenkungen gemacht?
Bis auf Weiteres werde ich das Original-Schlupfloch des Schinderhannes allerdings nirgendwohin verleihen. Ich werde damit üben und den Filzring demnächst auf Hunsrücker Bühnen allen Schinderhannes-Fans zeigen.
Übrigens hat auch das ZDF Wind von der Sache bekommen. In einer beliebten Unterhaltungssendung mit Tomas Gottschalk soll ich das Loch präsentieren. Schalten Sie ein, Sie werden staunen. Sollte ich allerdings überraschender Weise in dieser Show nicht zu sehen sein, dann war ich unvorsichtig. Und mein Schlupfloch hat mich - statt vor die Fernsehkameras - vielleicht ins Hahnenbachtal katapultiert. Wetten, dass ?!

 

Der Schinderhannes in Diusburg

 

Schinderhannes ist wohl niemals im Duisburger Wald gewesen. Die Räubergeschichte entstammt der Zeit, da die »Mersener Bande« unter Führung Bosbecks am Ende des 18. Jahrhunderts auch in Duisburg ihr Unwesen trieb.

 

Am stillen Steinbruch im Duisburger Walde kann man im grauen Felsgestein, daraus das dunkle Wasser auf rotem Grunde hervorsichert, den Eingang zu einem geheimnisvollen Gang sehen, der den einsamen Waldteich mit der starken Stadt Duisburg verband. Der finstere Gang öffnet sich zu einer weiten Halle, darinnen ein Räuber mit seinen Gesellen wohl Unterschlupf und Schatzkammer finden konnte. Schinderhannes selbst, der gefürchtete Räuberhauptmann, hauste vorzeiten in dieser Höhle und unternahm von dort aus, ein Schrecken für die Reichen und ein Trost für die Armen, seine Raub- und Spendenzüge. Als es ihm einstmals herzlich schlecht ging und er die Häscher, die ihn später an den Galgen lieferten, schon auf den Fersen spürte, sann er darauf, wie er zu einem Pferde kommen könne, um schnell seinen vertrauteren Hunsrückerwald aufzusuchen. Da umwickelte er sein Haupt mit Binden, stützte seine Gestalt auf Krücken, winkelte auch das Bein erbärmlich gleich einem Krüppel und schleppte sich zu einem großen Richtweg, der den Wald von Mülheim nach Duisburg durchzog. Dort kletterte er ungesehen auf einen über die Straße gereckten Ast, nachdem er seine Krücken weiter oberhalb an den Straßenrand geworfen hatte. Und siehe, bald sprengte ein wohlbeleibter Mülheimer Kohlenherr hoch zu Roß auf dem Wege nach Mülheim dahin. Der war nicht wenig erstaunt, als eine klägliche Stimme vom Baum ihn anrief: »Ach, gnädigster Herr, um Gottes willen helft mir! Böse Burschen haben mich armen Krüppel hier auf den Baum gesetzt und meine Krücken dort drüben auf die andere Seite geworfen. Wenn ihr ein Christenherz in der Brust habt, so holt mir doch meine Krücken her und helft mir vom Baume, auf daß ich meines Weges weiter ziehen kann.« Der gutmütige Mülheimer ließ sich das nicht zweimal sagen, glitt vom Pferde, ließ es unter dem Baume stehen und eilte nach den Krücken. Gerade als er sie in Händen hatte und sich umdrehte, sah er, wie der arme Krüppel sich behend vom Baumast schwang und auf dem kürzesten Weg wie ein guter Reiter dem Pferd auf den Sattel fiel. Das Pferd bäumte sich auf und flog unter der Hand seines neuen Herrn ein Stück den Weg hinab und seitwärts in den Busch. Der betroffene Kohlenherr stand verdutzt mit den Krücken, die ihm so unerwartet das Fortkommen beschwerten, derweil Schinderhannes mit pfiffigem Lächeln auf der Straße der Freiheit dahingaloppierte.

 

 

Der Schinderhannes und das Kind

Einst trieb sich in der Gegend von Feuersbach ein Mann umher, der Schinderhannes genannt wurde. Er jagte den Bewohnern Angst und Schrecken ein; denn er raubte und mordete. Vor allem hatte er es auf die Reichen abgesehen. Den Armen dagegen tat er nichts zuleide, sondern gab ihnen von dem, was er den Reichen genommen hatte.

Eines Tages ging ein Mädchen durch den Wald auf Feuersbach zu. In seiner Rechten trug es einen Korb. Es hatte große Angst und weinte; denn es fürchtete sich vor dem Schinderhannes, von dem seine Mutter ihm gerade am Tage zuvor erzählt hatte. Als das Kind ängstlich zwischen den hohen Stämmen einherschritt, stand plötzlich ein wild aussehender Mann vor ihm.

Die Kleine wäre am liebsten in den Boden gesunken. Ihr Herz klopfte vor Furcht zum Zerspringen. Der Langbärtige fragte sie mit freundlicher Stimme, warum sie weine. Da antwortete das Mädchen: "Ich habe solch große Angst vor dem Schinderhannes."

Der Mann versuchte dem Kind seine Furcht auszureden und begleitete es bis an den Rand des Waldes. Dabei trug er ihm den schweren Korb. Nach und nach wurde die Kleine zutraulicher; sie hielt nämlich ihren Begleiter für einen Köhler.

Als die beiden den Waldessaum erreicht hatten, stellte der Mann den Korb auf die Erde und sagte: "So, Kind, nun gehe heim! Grüße deine Mutter von mir und sage ihr, dass dir der Schinderhannes den Korb getragen hat."

Darauf verschwand er so ungesehen, wie er gekommen war. Das Kind lief den Berg hinab, dem Elternhaus zu, so schnell es seine Beine zu tragen vermochten.

 

SAGEN & LEGENDEN

Der Volksmund macht die Mythen. Jedenfalls die, die aus einem unbedeutenden kleinen Räuber eine Lichtgestalt an Gerechtigkeit und Gemeinsinn machen.

Der Schinderhannes bastelt schon zu seinen Lebzeiten an seinem Image.

Das beginnt mit seiner Kleidung. Stets im Stil der Zeit zeigt er in seinem Auftreten auch gute Umgangsformen. In einem Bericht der National Zeitung vom März 1802 wird Johannes Bückler wie folgt beschrieben: Er hat einen schlanken Wuchs, gewandten Körper, kurze blonde Haare, die er bald im Zopfe trägt, bald auf dem Rücken hangen läßt, ein schönes rundes Gesicht, ist etwas pockennarbig,

5 Schuh und 6 Zoll groß. Er ist jetzt sehr gut und geschmackvoll gekleidet, und gibt sich bald für

einen Kaufmann, bald für einen kurzen Waren- und Erdengeschirr-Händler aus, und führet sehr oft einen Esel bei sich, der auf beiden Seiten bepackt ist. Auf dem linken Rheinufer erschien er sonst meistenteils in Jägers-Uniform, mit einer kurzen doppelten Büchse und einem Jagdsacke versehen; seine doppelte Büchse hat ihn schon manchmal aus der Gefahr gerettet.

 

Und er achtet sehr darauf, gerecht zu erscheinen und gute Umgangsformen zu zeigen. Er ist erfreut, dass sein Verhalten die Leute dazu bringt, Geschichten über seinen guten Charakter zu erzählen.
Hier sind einige der unglaublichen Geschichten:
Schinderhannes und der Viehhändler.
Einmal hat der Schinderhannes einen Jahrmarkt besucht, als er auf seinem Weg eine alte Bauersfrau trifft.  Die erzählt ihm, dass sie vorhabe, eine neue Kuh zu kaufen. Da bricht das Weib in Tränen aus und berichtet, ihr Vieh sei verendet. Jetzt müsse sie sehen, möglichst billig eine neue Kuh zu kaufen, weil sie nur 10 Kronentaler habe. Den Schinderhannes rührt das Schicksal der Frau. Er gibt ihr weitere 10 Kronentaler, damit sie sich die beste Kuh auf dem ganzen Markte aussuchen kann. Als sie sich verabschiedet, stellt er nur eine Bedingung: sie solle sich von dem Viehhändler eine Quittung ausstellen lassen und ihm diese bringen. Das geschieht auch. Abends nun lauert  der Hannes dem Viehhändler auf, zeigt ihm die Quittung und bittet sich höflichst gegen Rückgabe derselben 20 Kronentaler aus. Der Viehhändler weigert sich nicht im Geringsten. Er löst die Quittung ein und ist froh, mit heiler Haut davon zu kommen.
Dass der Räuberhauptmann keine Gefahr für die kleinen Leute darstellte, sollte die folgende Geschichte beweisen:
Der Schinderhannes in der Bauernstube
Einmal kommt der Schinderhannes bei einem Streifzug zu einem ärmlichen Bauernhaus. Er geht hinein und trifft auf ein altes Weib, das mit ihrem Mann in der Stube sitzt. Das Weib bietet, wie es der Brauch war, dem Hannes etwas zu trinken an.
Man kommt ins Gespräch auf die unsicheren Zeiten. Der Hannes will von den beiden Alten wissen, ob sie sich nicht vor den Räubern fürchten?„Oh, nein", lächelt der Alte da,„der Schinderhannes tut den Armen doch nichts. Aber eine Sicherheitskarte möchte ich doch von Ihm haben, weil ich seinen Leuten nicht recht traue." Da nimmt der Bückler nimmt aus seiner Tasche eine Flasche Wein und schenkt sie dem Bauern.
Plötzlich dringt Lärm von draußen herein.„Mein Gott", ruft der Bauer, der ans Fenster gelaufen ist,„da kommen Bewaffnete, wir  sind verloren!" Schinderhannes glaubt,  das seien Gendarmen und versteckt sich in der benachbarten Kammer. Da wird auch schon die Haustür aufgerissen und vier bis an die Zähne bewaffnete Räuber dringen ein. Sie packen den Bauern und sein Weib, werfen beide zu Boden und fordern lautstark Geld. Zitternd nestelt der Bauer den Rest seines kleinen Vermögens von 13 Groschen aus seinem Geldbeutel.
Aber das genügt den Räubern nicht:„Was, du kannst Wein trinken, dann hast du auch Geld Eben schickt sich der Anführer an, die armen  Bauersleut noch schlimmer zu mißhandeln, da erscheint Schinderhannes in der Kammertür, reißt seine Pistole aus dem Gürtel und zerschmettert den Schädel des Rädelsführers. Die anderen drei ergreifen die Flucht und werden in dieser Gegend nie mehr gesehen. Der Bauer und sein Weib wissen nun aber, wer ihnen das Leben gerettet hat.
Wie banal die Geschichten um den großen Schinderhannes sein können, um dennoch ihre Wirkung zu erzielen, zeigt diese Anekdote:
Der Schinderhannes narrt die Gendarmen
Hört, hat euch das schon einer erzählt: Ich weiß nicht mehr genau wo das war, ich habe gehört in Staudernheim oder in Mengerschied. Vielleicht wars aber auch da unten im Odenwald. Da sitzen jedenfalls vier durstige Gesellen zusammen in der Schenke und zechen. Sie sind guter Dinge und singen schmutzige Lieder. Plötzlich dringt Pferdegetrappel von draußen herein. Zwei Gendarmen stürzen auf den Hof und schreien: "Wirt, Herr Wirt! Gebt uns schnell einen Schnaps. Wir haben es eilig. Der Schinderhannes soll sich irgendwo hier aufhalten. Den suchen wir. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit
Die vier Zecher hören das. Einer ruft hinaus: "He, Kameraden, kommt herein. Ihr seid eingeladen. Ruht euch ein wenig aus Das lassen sich die Gendarmen nicht zweimal sagen. „Ihr seid wackere Beamte,“ sagt der eine, „es soll uns nicht auf Flasche Wein ankommen Allzu gerne lassen die Gendarmen sich nieder: Bald sitzt man gemütlich beim Wein und schmaucht ein Pfeifchen. Als die Aufmerksamkeit der Gendarmen vom Wein genügend geschwächt ist, verläßt der eine der vier Burschen die Schänke. Bald ertönt vom Fenster her ein zügelloses Gelächter. Die Gendarmen blicken hinaus und erkennen ihren Saufkumpanen, der sich vor Lachen kaum halten kann.
"Und ihr wollt echte Gendarmen sein", ruft er den Beamten zu, "und sauft zusammen mit dem Schinderhannes? Kommt, fangt ihn, wenn ihr schnellere Beine habt Der Bursche verschwindet vom Fenster. Die Gendarmen springen auf, um den Flüchtigen einzuholen. Sie rennen in den Stall, schwingen sich auf die Sättel ihrer Pferde und ...... fallen auf der anderen Seite unsanft  von ihren Pferden. Mit dem Gelächter des davoneilenden Räuberhauptmanns kommen sie darauf, dass der Schinderhannes ihnen die Sattelgurte durchgeschnitten hat. Die zwei Gendarmen schwören sich, nichts davon zu erzählen und wäre der Wirt nicht gewesen, hätte das auch niemand erfahren.
Und wo ein Held bereitsteht, Gutes zu tun, da schießen dann schnell Legenden ins Kraut, die's an Edelmütigkeit und Heroismus kaum noch zu überbieten sind. Was war er doch für ein guter Mensch, unser Hannes:
 
Der Schinderhannes und die Gräfin
Da war doch die Erika, ihres Zeichens oder besser ihren Geblütes Gräfin von Manderscheid, auf der Flucht (vor wem eigentlich?) zur Burg Waldeck, (die längst zerstört als Ruine über dem Baybachtal trohnte).  Und weil es Nacht wurde übernachtete sie vor dem einsamen Aufstieg in der Schmause-Mühle bei Burgen. Die vornehme Kutsche der Gräfin erregte die Aufmerksamkeit des Schwarzen Peters, der die edle Frau daraufhin überfiel. Er wurde jedoch vom Schinderhannes (Oh Gott, wo kam der denn so schnell her?) an seiner Tat gehindert, der ihn kurzerhand verjagte. Ja. Genau so war das gewesen.
Wo eine Gräfin ist, muss es doch auch einen Baron geben.

 

Der Schinderhannes und der Baron

Von einem alten Bedienten hörte der Bückler über die Mißwirtschaft des Barons K…. klagen. Der Baron sei der reine Wüterich; er traktiere seine Dienerschaft mit Schlägen, verprasse das Geld seiner Frau mit zwei Maitressen und das arme Weib müsste ihnen auch bei den wüsten Gelagen noch aufwarten; sie sei viel schlimmer dran als eine Dienerin. Schinderhannes ließ das Schloß heimlich durch seine Leute umstellen, er selbst ging in das Zimmer des Barons und stellte sich als Verwandter seiner Frau vor. „Dieses Lumpenvolk kenne ich nicht, sofort aus meinen Augen, sonst hetze ich Euch die Hunde auf den Hals!“ rief der Baron, der in Gesellschaft seiner Maitressen und zweier Freunde tafelte.

Schweigend ging Schinderhannes hinaus – ein Pfiff und die Räuber standen vor ihm. Sie drangen in das Zimmer des Barons, der erschreckt seinen Kammerdienern klingelte. Letztere wurden einfach zur Tür hinausgeworfen; Schinderhannes trat vor den Baron und schrie: „Niederträchtiger Tyrann, auf die Knie mit Dir, ich bin der Schinderhannes!“ Zitternd fielen alle auf die Erde, der Baron wurde von der Räubern mit gedrehten Stricken halbtot gehauen, die beiden Stutzer ganz kahl geschoren und jämmerlich maltraitiert. Hierauf plünderten die Räuber Kisten und Kasten, gaben der Baronin ihren Brautschatz zurück und brachten sie zu ihrem Vater, der erst jetzt hörte, wie sein Schwiegersohn seine Tochter behandelt hatte. Vater und Tochter dankten Schinderhannes für seine Hilfe, letzterer wehrte aber ab, denn heimlich dachte er, „den schönsten Lohn haben die Kameraden in ihren Säcken fortgetragen!“

 

Der Schinderhannes und die Tänzerin

Leyendecker ward eines Tages nach Kirn gesandt, um Munition zu kaufen. Dort hatte er ausgekundschaftet, daß die berühmte Tänzerin Cäcilie Vestris, die von dem Präfekten für das Mainzer Theater engagiert war, auf ihrer Reise von Paris nach Mainz in Kirn abgestiegen sei, und am nächsten Tage um 2 Uhr ihre Tour fortzusetzen gedenke. Die Bande Bücklers brach zur bestimmten Stunde auf,  und fasste die Reisenden unweit Kirn ab. Schinderhannes setzte sich zu der Tänzerin und ihrer Kammerfrau in den Wagen, ein Räuber kutschierte, und fort ging es direkt nach Kallenfels. Der Kutscher wurde zu Fuß ebenfalls dorthingeführt. In Kallenfels fanden die vor Schreck fast gelähmten Damen ein reichliches Essen mit spanischen Weinen vor. Julie hatte Mänerkleider angelegt und serveirte. Schinderhannes erklärte der Tänzerin, sie möge ihm den „Scherz“ nicht über nehmen, er wolle nur dem Präfekten in Mainz, der sein erbitterter Feind sei, beweisen, dass der Räuberhauptmann Schinderhannes auf dem Hunsrück allein zu befehlen habe und es freue ihn, dass er noch vor seinem „Rivalen“ das Vergügen gehabt habe, die berühmte Tänzerin zu empfangen. Cäcilie Vestris, als sie sah, dass ihr nichts zu Leide geschah, fand sich bald in ihr Schicksal und wurde von der allgemeinen Heiterkeit, die dieses mal ausnahmsweise durchaus anständig war, mit fortgerissen, so dass sie auf die Bitte des Räubers eine Probe ihrer Tanzkunst ablegte. Reinhardt und Julchen bildeten das Orchster. Andern Tags ließ Schinderhannes die Damen wieder ziehen, nachdem er Cäcilien eine goldene Kette aufgenötigt hatte, die, wie er sagte, „ehrlich erworben“ sei.

 

Der Schinderhannes und die Braut

Die Räuber lagern im Kreis und sprechen tapfer der Flasche zu. Plötzlich hört man in der Nähe ein Geschrei, das von drei Personen herrührt, die von einigen Räubern mit Gewehrkolben vorwärts getrieben werden. Als die Gruppe, bestehend aus einem älteren Mann, einem Buschen und einem Mädchen vor Schinderhannes erscheint, herrscht er die Leute an: „Was gibt’s? Redet und macht nicht solchen Lärm!“ Der Bursche erwidert seufzend: „Mit dem Mädchen, der Christel, bin ich schon zwei Jahre heimlich versprochen und der Vater hier, bei dem ich in Dienst stehe, und der von dem Verhältnis weiß, hat nie etwas degegen einzuwenden gehabt. Gestern nun frage ich ihn, ob wir jetzt heiraten dürfen, da lacht er mich aus und sagt, ich solle mich zum Teufel scheren.Wir haben nun beschlossen, heimlich davonzugehen, wir wollten das auch heute Morgen ausführen, der Alte aber setzt uns nach und will jetzt die Christel wieder mit nach Hause nehmen. Als wir noch stritten werden wir von Euren Leuten überfallen und hierhergebracht.“ Während diesen Worten weint das Mädchen immer leise vor sich hin. „Was hast Du darauf zu erwidern, warum willst Du die Beiden nicht heiraten lassen?“ examiniert der Räuberhauptmann den alten Bauern. „Weil ich keinen Bettler als Schwiegersohn gebrauchen kann!“ entgegnet trotzig der Bauer, „ich habe mir schon einen Anderen ausgesucht!“ „Kameraden, nehmt den alten Sünder auf’s Korn,“ ruft Bückler und im Nu sieht der Bauer ein Dutzend Flintenläufe auf sich gerichtet. „Gnade, Gnade“, ächzt er, „ich will ja alles tun, was Ihr verlangt!“ „Versprichst Du mir sofort, diesen jungen Leuten Deinen Segen zu Ihrer Verbindung zu geben, so will ich Dich laufen lassen; aber das sage ich Dir, brichst Du Dein Wort, so soll Dich’s gereuen, so wahr ich Schinderhannes heiße!“ Laut schreien das Mädchen und der Alte bei Nennung dieses furchtbaren Namens auf, im Auge des Burschen aber blitzt ein Hoffnungsstrahl. Zittend gelobt der Vater, alles zuzugeben, doch Schinderhannes ruft: „Etwas muss für mich auch abfallen.“ Dabei fasst er das Mädchen um die Taille und drückte ihr einen herzhaften Kuss auf die Lippen. „So Leute, jetzt übergebe ich Euch die beiden Männer, dass ihr auch Eure Freude habt.“ Schwiegervater und Schwiegersohn werden nun von den Räubern ausgeplündert und ihnen sogar Rock, Weste und Stiefel abgenommen. Trotz alledem machen die drei recht vergnügte Gesichter – die beiden Jungen, dass sie so leicht ihr Ziel erreicht haben, der Alte, dass er so billig davongekommen ist.

 

 

 

Der Schinderhannes und die Patrouille

Im Begriff, nach einer längeren Rast aufzubrechen, um sich in einen Schlupfwinkel zurückzuziehen gewahrt der Schinderhannes mit zwölf anderen Räubern eine 25 Mann starke Kavalkade österreichischer Husaren, die unten im Tal langsam eine breite Chaussee daher traben. „Ein famoser Braten,“ murmelt Zughetto, „für diese Tiere hätte ich gerade Verwendung.“ „Nichts leichter als das,“ ruft Schinderhannes, „wir nehmen ihnen die Pferde einfach weg.“ Die Räuber lachen und Glaubten, er wolle einen Scherz machen. Schinderhannes aber befiehlt ihnen, sich in einem nahen, von Gebüsch umwachsenenen Graben zu verbergen und gibt ihnen die nötigen Instruktionen. Er selbst setzt sich an den Weg, pfeift ein Liedchen und lässt die Husaren näher kommen. Als der Offizier den schmucken Jäger erblickt mag ihn eine Ahnung des kommenden Unheils beschlichen haben, denn er lockert zwei Pistolen undsieht nach seinen Soldaten zurüch, ob alles in Ordnung ist. Bückler aber geht mit heiterer Miene auf ihn zu, zieht sehr höflich seinen Hut und spricht ihn an: „Verzeihen Sie, Herr Wachtmeister, ich bin ein ehemaliger kurpfälzischer Jäger, und möchte die Frage an Sie richten, ob es gestattet sei, Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen?“ Aus dem Antlitz des Offizeirs schwindet jedes Misstrauen und er anwortet: „Nun, so sprich, aber schnell, wir müssen noch einen großen Weg machen!“ Geheimnisvoll beginnt der Schinderhannes: „Nicht weit von hier, im Wald, lagernzwölf Franzosen, die eine große Kasse, offenbar gestohlenes Geld, mit sich führen; die Kerle zechen schon Stunden lang, und ich glaube, es ist ein Leishtes, sie zu überrumpeln. Gold gibt’s genuh und ich werde Sie hinführen, wenn Sie mir versprechen, dass auch für mich was abfällt.“ Halb ungläubig schüttelt der Offizier den Kopf: „Und wenn Du mich nun zum Besten gehaten hast, was soll ich mit Dir anfangen?“ „Binden Sie mir die Hände auf den Rücken und schießen Sie miche, wenn ich gelogen habe, über den Haufen!“ Der Räuberhauptmann sagt das so keck, dass bei dem Offizier jedes Bedenken schwindet. Er ässt die Leute absitzen, die Pferde zusammenkoppeln und geht mit 12 Mann dem Führer nach; die übrigen zwölf Soldaten bleiben zur Bewachung der Pferde zurück. Kaum hat der Schinderhannes mit dem Offizier und seinen Begleitern den Wald erreicht, als in entgegengestzter Richtung ein furchtbares Geheul erschallt.. Die Soldaten haben sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt, als schon die bei den Pferden zurück gebliebenen Husaren von den hervorstürzenden Räubern zu Boden geschlagen werden. Man sieht nur noch, wie sich die die Räuber auf die Pferde schwingen und davonsprengen. Schunderhannes gesellt sich ganz entrüstetund schreit: „Verrat, Verrat, das ist der Schinderahhes mit seiner Bande.“ Damit setzte er über das Gebüsch, schwingt sich auf das noch übrig gebliebene Pferd des Wachtmeisters und will davongaloppieren. Ein Soldat, von den zu Boden geschlagegenen, der wohl die ganze Sachlage durchschaut hatte, erhebt sich indess mühsam, und will dem kecken Räuber sein Schwert übertziehen. Im selben Moment aber fährt ihm eine Geige über den Schädel, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Benzel war es, der erst kurz der Bande angehörte, und starr vor Staunen über die Kühnheit seines Hauptmanns zurückgeblieben ist. Schinderhannes fühlt noch, wie ein Körper hinter ihm auf’s Pferd fällt und hört, wie Benzel ihm zuruft: „Vorwäts, Hauprmann, es die höchste Zeit!“ Er gibt dem Roß die Sporen und schreit aus Leibeskräften: „Hussah, Husaren, fangt den Schinderhannes.“ Wohl pfeifen den Flüchtigen die österreichischen Kugeln um die Ohren, doch was macht sich ein Bandit daraus, namentlich, wenn sie nicht treffen!

 

Der Schinderhannes und der Aufschneider

Einst brachten einige Räuber einen Menschen zu Schinderhannes, der sich als Mitglied der Bande aufnehmen lassen wollte. Um den Beweiszu liefern, dass er als Räuber zu gebrauchen isei, gab er an, er habe schon verschiedene Meuchelmorde auf dem Gewissen, auch habe er einer Witwe mit fünf Kindern ihr Vermögen abgeschworen. Schinderhannes rief: „So etwas tut ein richtiger Räuber nicht, wer falsch schwört, verrät auch uns. Kameraden, hängt den Kerl dort an den Eichbaum!“ Der Befehl wurde sofort ausgeführt.

 

Der Schinderhannes und der Zöllner

Zur Zeit des Räuberhauptmanns Johannes Bückler - genannt Schinderhannes - wurde an den Grenzstationen viel Unfug getrieben. Die Schmuggelei stand in voller Blüte, und die Zollbeamten, die recht oft wechselten, nahmen an Gebühren, was sie gerade bekommen konnten.

Schinderhannes kam mit zwei Mitgliedern seiner Bande als umherziehender Krämer an eine solche Grenzstation. Die Pässe wurden für richtig befunden, und die Waren sollten verzollt werden.

Der Zöllner verlangte eine ungewöhnlich hohe Gebühr. Schinderhannes machte ein schiefes Gesicht dazu, bezahlte aber schließlich, was gefordert wurde. Dann zog er die Brieftasche, schrieb einige Worte auf ein leeres Blatt Papier und klebte es zusammen. Dem Beamten gab er danach den Auftrag, es seinem Vorgesetzten zu überreichen.

Der Zöllner dachte: Wenn es den Dienst betrifft, so ist es ja kein Geheimnis, und wenn es Privatsache ist, so wird’s ja so wichtig nicht sein. Ich lese das Schreiben erst selbst. Zu seinem Erstaunen enthielt der Zettel die folgenden Worte:

"Herr Hauptzöllner, soeben fährt unterzeichneter über den Rhein, Sie haben also nichts mehr von ihm zu befürchten. Als guter Freund aber rat’ ich ihm, seine Leute besser zu beaufsichtigen, damit sie nicht mehr Mautgebühr verlangen, als ihnen zukommt, sonst kommt der und fordert Rechenschaft von Ihnen, der da heißet Schinderhannes."

 

 


Die Figur des Schinderhannes animiert selbst heute noch Autoren, sich ihre Gedanken um die Sagenhaftigkeit des Mannes zu machen. Das beweist die folgende Geschichte des Hunsrücker Comediants Hotte Schneider:
Sensationeller Fund: Das Schlupfloch des Schinderhannes
Auf den ersten Blick sieht das Ding ganz harmlos aus: So ungefähr wie eine Halskrempe der Mainzer Hofsänger, nur alles aus grau-braunem Filz. Aber was Gerd Mähringer aus Bergershausen da beim Abbruch seiner alten Scheune gefunden hat, ist eine Sensation, nämlich nichts Geringeres als das Schlupfloch des Schinderhannes aus dem Jahre 1797.
Dieses Loch trug der Johannes Bückler bekanntlich immer bei sich, getarnt als Hut auf dem Kopf. Wenn die Gendarmen ihm mal wieder hart auf den Fersen waren, nahm der Schinderhannes sein Filzloch vom Kopf, schlüpfte hindurch und ward nicht mehr gesehen.
Gerd Mähringer zeigt mir seinen Fund mit großem Stolz aber auch mit äußerster Vorsicht. Zu oft hat es ihn in die abgelegensten Gegenden verschlagen, wenn er leichtsinnig seinen Kopf oder ein Bein durch das Loch gesteckt hatte. Erst letztens war er irgendwo im einsamen Spessart gelandet. Nachts irrte er stundenlang durch den Wald, bis ihn ein Jäger halb erfroren fand..
Ganz dick kam es, als Mähringers Cousin Werner Schmidt aus Rödelhausen, sich kürzlich an dem Schlupfloch zu schaffen machte. Mit seinen 114 Kilo ist er einfach zu dick für die ehemalige Geheimwaffe des Schinderhannes. Er blieb stecken genau zwischen Bergershausen im Hunsrück und Miehlen im Taunus. Um den kostbaren Filz zu retten, mußte man dem unglückseligen Schmidt einen Arm amputieren.
Seitdem hat Mähringer die Schnauze voll von seinem Jahrhundertfund. Ganz zu meiner Freude, denn - ob Sie es glauben oder nicht - er hat mir das Schlupfloch des Schinderhannes kurzerhand geschenkt. Seitdem rennen mir verschiedene Interessenten die Bude ein. Zum Beispiel will das Kriminaltechnische Museum in Koblenz untersuchen, wie der Schinderhannes sein Entschwinden durch das Loch exakt zum Wunschziel steuern konnte. Hat er eine Formel gemurmelt oder hat er Verrenkungen gemacht?
Bis auf Weiteres werde ich das Original-Schlupfloch des Schinderhannes allerdings nirgendwohin verleihen. Ich werde damit üben und den Filzring demnächst auf Hunsrücker Bühnen allen Schinderhannes-Fans zeigen.
Übrigens hat auch das ZDF Wind von der Sache bekommen. In einer beliebten Unterhaltungssendung mit Tomas Gottschalk soll ich das Loch präsentieren. Schalten Sie ein, Sie werden staunen. Sollte ich allerdings überraschender Weise in dieser Show nicht zu sehen sein, dann war ich unvorsichtig. Und mein Schlupfloch hat mich - statt vor die Fernsehkameras - vielleicht ins Hahnenbachtal katapultiert. Wetten, dass ?!

 

Der Schinderhannes in Diusburg

 

Schinderhannes ist wohl niemals im Duisburger Wald gewesen. Die Räubergeschichte entstammt der Zeit, da die »Mersener Bande« unter Führung Bosbecks am Ende des 18. Jahrhunderts auch in Duisburg ihr Unwesen trieb.

 

Am stillen Steinbruch im Duisburger Walde kann man im grauen Felsgestein, daraus das dunkle Wasser auf rotem Grunde hervorsichert, den Eingang zu einem geheimnisvollen Gang sehen, der den einsamen Waldteich mit der starken Stadt Duisburg verband. Der finstere Gang öffnet sich zu einer weiten Halle, darinnen ein Räuber mit seinen Gesellen wohl Unterschlupf und Schatzkammer finden konnte. Schinderhannes selbst, der gefürchtete Räuberhauptmann, hauste vorzeiten in dieser Höhle und unternahm von dort aus, ein Schrecken für die Reichen und ein Trost für die Armen, seine Raub- und Spendenzüge. Als es ihm einstmals herzlich schlecht ging und er die Häscher, die ihn später an den Galgen lieferten, schon auf den Fersen spürte, sann er darauf, wie er zu einem Pferde kommen könne, um schnell seinen vertrauteren Hunsrückerwald aufzusuchen. Da umwickelte er sein Haupt mit Binden, stützte seine Gestalt auf Krücken, winkelte auch das Bein erbärmlich gleich einem Krüppel und schleppte sich zu einem großen Richtweg, der den Wald von Mülheim nach Duisburg durchzog. Dort kletterte er ungesehen auf einen über die Straße gereckten Ast, nachdem er seine Krücken weiter oberhalb an den Straßenrand geworfen hatte. Und siehe, bald sprengte ein wohlbeleibter Mülheimer Kohlenherr hoch zu Roß auf dem Wege nach Mülheim dahin. Der war nicht wenig erstaunt, als eine klägliche Stimme vom Baum ihn anrief: »Ach, gnädigster Herr, um Gottes willen helft mir! Böse Burschen haben mich armen Krüppel hier auf den Baum gesetzt und meine Krücken dort drüben auf die andere Seite geworfen. Wenn ihr ein Christenherz in der Brust habt, so holt mir doch meine Krücken her und helft mir vom Baume, auf daß ich meines Weges weiter ziehen kann.« Der gutmütige Mülheimer ließ sich das nicht zweimal sagen, glitt vom Pferde, ließ es unter dem Baume stehen und eilte nach den Krücken. Gerade als er sie in Händen hatte und sich umdrehte, sah er, wie der arme Krüppel sich behend vom Baumast schwang und auf dem kürzesten Weg wie ein guter Reiter dem Pferd auf den Sattel fiel. Das Pferd bäumte sich auf und flog unter der Hand seines neuen Herrn ein Stück den Weg hinab und seitwärts in den Busch. Der betroffene Kohlenherr stand verdutzt mit den Krücken, die ihm so unerwartet das Fortkommen beschwerten, derweil Schinderhannes mit pfiffigem Lächeln auf der Straße der Freiheit dahingaloppierte.

 

 

Der Schinderhannes und das Kind

Einst trieb sich in der Gegend von Feuersbach ein Mann umher, der Schinderhannes genannt wurde. Er jagte den Bewohnern Angst und Schrecken ein; denn er raubte und mordete. Vor allem hatte er es auf die Reichen abgesehen. Den Armen dagegen tat er nichts zuleide, sondern gab ihnen von dem, was er den Reichen genommen hatte.

Eines Tages ging ein Mädchen durch den Wald auf Feuersbach zu. In seiner Rechten trug es einen Korb. Es hatte große Angst und weinte; denn es fürchtete sich vor dem Schinderhannes, von dem seine Mutter ihm gerade am Tage zuvor erzählt hatte. Als das Kind ängstlich zwischen den hohen Stämmen einherschritt, stand plötzlich ein wild aussehender Mann vor ihm.

Die Kleine wäre am liebsten in den Boden gesunken. Ihr Herz klopfte vor Furcht zum Zerspringen. Der Langbärtige fragte sie mit freundlicher Stimme, warum sie weine. Da antwortete das Mädchen: "Ich habe solch große Angst vor dem Schinderhannes."

Der Mann versuchte dem Kind seine Furcht auszureden und begleitete es bis an den Rand des Waldes. Dabei trug er ihm den schweren Korb. Nach und nach wurde die Kleine zutraulicher; sie hielt nämlich ihren Begleiter für einen Köhler.

Als die beiden den Waldessaum erreicht hatten, stellte der Mann den Korb auf die Erde und sagte: "So, Kind, nun gehe heim! Grüße deine Mutter von mir und sage ihr, dass dir der Schinderhannes den Korb getragen hat."

Darauf verschwand er so ungesehen, wie er gekommen war. Das Kind lief den Berg hinab, dem Elternhaus zu, so schnell es seine Beine zu tragen vermochten.